Der Stuttgarter Kulturbürgermeister Fabian Mayer in seinem Büro Foto: LG/Max Kovalenko

Stuttgarts Kulturbürgermeister Fabian Mayer lobt die Kreativität der Szene, sieht die wahren Probleme aber erst im Herbst. Die Corona-Krise wird wohl ihre Spuren hinterlassen.

Stuttgart - Langsam kommt das Stuttgarter Kulturleben wieder in Gang, wenn auch alles noch ganz im Zeichen der Corona-Prävention steht. Wird die Szene diese Krise schadlos überstehen? Was muss die Kulturpolitik dafür leisten? Wie sind die Perspektiven für die kommende Saison? Fragen an Fabian Mayer (CDU), seit 2016 im Rathaus zuständig für die Kultur der Landeshauptstadt und seit 2019 Erster Bürgermeister.

Herr Bürgermeister, bei der jüngsten Kulturausschuss-Sitzung im Rathaus gab es von Seiten der Gemeinderäte und der sachverständigen Bürger quer durch alle Reihen derart einhelliges Lob für Sie und das Kulturamt, dass man beim Zuhören fast schon wieder misstrauisch werden musste. Ist das Corona-Krisenmanagement in der Stuttgarter Kulturpolitik wirklich so gut und erfolgreich?

Um das zu beantworten, bin ich natürlich befangen, und für eine qualitative Bewertung ist es ohnehin noch ein bisschen früh. Aber im Verbund mit dem Bund und dem Land scheinen wir derzeit tatsächlich in der Lage, diese Krise so zu managen, dass es am Ende möglichst wenig Verluste zu beklagen geben wird.

Aber es wird Verluste geben? Es wird Künstler und Institutionen geben, die aufgeben müssen?

Das wollen wir natürlich mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, verhindern. Aber bei einer Krise diesen Ausmaßes das Schlimmste völlig ausschließen, das kann ich guten Gewissens heute nicht tun.

Die wahre Krise kommt wahrscheinlich erst gegen Ende des Jahres, wenn sich bei den Institutionen die über Monate angesammelten Mindereinnahmen aus dem Ticketverkauf so aufsummieren, dass die Insolvenz droht.

Deswegen haben wir uns ja kulturpolitisch ausdrücklich für einen vorausschauenden Ansatz entschieden. Von den zusätzlichen Mitteln, die uns der Gemeinderat zur Verfügung gestellt hat, teilen wir jetzt nichts mit der Gießkanne aus. Nach Einzelfallprüfung unterstützen wir zwar auch sofort, behalten uns aber finanzielle Reserven für den weiteren Jahresverlauf.

. . . von dem wir derzeit nur hoffen können, dass es zu keiner weiteren Infektionswelle kommt.

Tatsächlich, in der Glaskugel kann niemand lesen. Die Pandemie kann die Kulturszene noch Monate lang beeinträchtigen, vielleicht sogar bis weit ins nächste Jahr. Und das bedeutet: So lange es Abstandsregeln und Zuschauerzahl-Beschränkungen gibt, sind die laufenden Geschäftspläne eigentlich aller Kulturinstitutionen überholt. Und während im Lockdown die laufenden Kosten des Betriebs heruntergefahren werden konnten, steigen sie angesichts der Lockerungen nun wieder an, ohne dass der Ticketverkauf dies auffangen könnte.

Was sollen die Bühnen und Veranstalter also machen? Auf Sparflamme arbeiten, um Kosten zu reduzieren, oder den Bürgern ein attraktives Angebot machen?

Wir wollen kulturpolitisch neue, attraktive Angebote ermöglichen, keine Frage. Aber der betriebswirtschaftliche Druck auf und in den Häusern ist groß, das wird keiner bestreiten können. Umso mehr, als ja auch das jeweilige Stammpublikum Erwartungen hat – und auch die Künstler schnell wieder aktiv werden wollen. Gerade in der Krise und den gesellschaftlichen Umbrüchen wird ihr Beitrag zur Debatte ja dringend gebraucht und von vielen geradezu ersehnt.

Es gibt einige Großprojekte im Stuttgarter Kulturleben, die durch die Corona-Krise völlig aus dem Blick geraten sind. Was wird aus der Opernsanierung? Oberbürgermeister Kuhn und Ministerin Bauer haben das Verfahren vorerst gestoppt.

Die Verschiebung eines Grundsatzbeschlusses zur Opernsanierung im Gemeinderat auf das Frühjahr 2021 ist schmerzhaft gewesen, weil jedes weitere Jahr Aufschub Mehrkosten für das Projekt von geschätzt rund 30 Millionen Euro mit sich bringt. Aber es ging kein Weg daran vorbei; die Bürgerbeteiligung und der Planer-Wettbewerb um die Umgestaltung der Bundesstraße 14 müssen erst abgeschlossen werden.

Das Projekt Konzerthaus?

An Wunsch und Notwendigkeit, Stuttgart einen neuen, modernen Konzertsaal zu verschaffen, hat sich nichts geändert. Das gilt auch für den Neubau des Linden-Museums. Es stimmt, diese Entscheidungsprozesse stocken jetzt sei Mitte März. Nun haben wir vor, mit dem Gemeinderat zu erörtern, was wir davon noch in diesem Jahr diskutieren wollen und können. Und wenigstens am Projekt Film- und Medienhaus konnten wir gerade noch rechtzeitig einen Haken machen. Das geht voran.

Letztlich werden Sie als Kulturbürgermeister für Kontinuität sorgen müssen, denn die Amtszeit von Fritz Kuhn neigt sich bereits dem Ende zu. Wird die Kultur zu einem großen Thema im OB-Wahlkampf, der nach den Sommerferien beginnt?

Es würde mich wundern, wenn nicht. Allein wegen der Dimension der Aufgaben.

Und ist das gut oder schlecht für die Projekte, wenn die Kultur im Wahlkampf zum Streitthema wird?

Kommt drauf an, wer zum Schluss die Wahl gewinnt.