Am 30. Dezember wäre der Architekt Georg Kieferle 92 Jahre alt geworden (hier ein Foto von seinem 90. Geburtstag). Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Er war ein geselliger Kosmopolit und ein Charmeur wie aus dem Bilderbuch: Der Stuttgarter Star-Architekt und langjährige Chile-Honorarkonsul Georg Kieferle, dem die Stadt den Santiago-de-Chile-Platz verdankt, ist im Alter von 91 Jahren gestorben.

Stuttgart - Stuttgart war die Stadt, die er liebte und in der er daheim war, doch zuhause fühlte er sich in der ganzen Welt: Der Architekt und langjährige Chile-Honorarkonsul Georg Kieferle war ein Menschenfreund, ein Charmeur der alten Schule, ein geselliger Kommunikator, dem es gefiel, in seiner Heimat etwas zu bewegen, der aber auch gern in der Fremde architektonische Ausrufezeichen zu setzen. Am Sonntag ist der Vater von drei Kindern und Träger des Bundesverdienstkreuzes im Alter von 91 Jahren gestorben – seine gesamte Familie war um ihn versammelt.

Beerdigung ist am Freitag um 13 Uhr auf dem Waldfriedhof

Eine schwere Krankheit hatte er nicht, verfolgte das Geschehen in Stuttgart bis kurz vor seinem Tod noch aufmerksam. „Auch bei uns im Büro hat er immer nachgefragt, was läuft und stand uns als Ideen- und Ratgeber aktiv bis zuletzt zur Seite“, sagt seine Tochter Cornelia Kieferle-Niklas, die heute das von ihrem Vater gegründete Architekturbüro mit Sitz in Stuttgart und Dubai leitet. Als sie am Freitag hörte, dass es dem Vater schlechter ging, flog sie sofort aus den Emiraten herbei. Eine Beerdigung im engsten Familienkreis würde nicht zu ihm passen. Zeitlebens, sagt die Tochter, ging er mit „heiterer Leichtigkeit“ auf sehr viele Menschen zu. So rechnet die Familie damit, dass viele Trauergäste am kommenden Freitag um 13 Uhr auf den Waldfriedhof von ihm Abschied nehmen.

Stuttgart verdankt ihm den Santiago-de-Chile-Platz

Architektur war für ihn „die Mutter aller Künste“. Noch mit weit über 85 arbeitete Georg Kieferle täglich etwa sechs bis sieben Stunden in seinem Büro, mit dem er viele Preise gewonnen hat. Immer an seiner Seite: Sein Schäferhund, der vor einem Jahr gestorben ist. Seit 1986 war er Honorarkonsul von Chile. Stuttgart verdankt ihm den Santiago-de-Chile-Platz auf dem Haigst, wo er lebte.

Geboren ist Kieferle im kleinen oberschwäbischen Steinbronn bei Saulgau. Aus bescheidenen Verhältnissen hat er sich „mit Fleiß und Glück“, wie er sagte, nach oben geschafft. 1958 gründete er mit Karl-Otto Rödl, seinem Studienfreund, das Architekturbüro Rödl und Kieferle. Alle Bauprojekte aufzuzählen, die Kieferle weltweit verwirklicht hat, ist kaum möglich. Für seine Vielfalt steht etwa eine Chipfabrik in Moskau, der Sultanspalast von Brunai, der Fernsehturm von Riad und der Bülow-Turm in Stuttgart. Der Kosmopolit Kieferle fühlte sich im besonderen Maße aber der Heimat verpflichtet. Souverän bewegte er sich als eleganter Kavalier auf dem gesellschaftlichen Parkett. Noch heute erzählen Frauen davon, dass er einen formvollendeten Handkuss beherrschte und damit beim Landespresseball auffiel. Seine Neugierde nach Menschen, nach anderen Nationen, Kulturen und Architektur war nicht zu stillen. Als das Reisen am Ende eines langen Lebens nicht mehr möglich war, las er umso mehr – besonders gern Stuttgart-Bücher mit historischen Aufnahmen.