Das frühere Laufhaus Leo 6 an der Leonhardstraße 6 wird im Oktober zur Wein- und Feinkostbar Hommage. Foto: Bo/n

Bevor OB Frank Nopper bei seiner Sommertour kam, so wird in der Altstadt gespottet, hat man das Viertel gesäubert wie nie zuvor. Weitere Laufhäuser geben auf. Aus dem Leo 6 etwa wird die Weinbar Hommage. Hat das Rotlicht gegen Szenebars verloren?

Stuttgart - Stuttgarts Altstadt, so hört man immer wieder, geht vor die Hunde. Ein Freier nennt auf einem einschlägigen Netzportal seine speziellen Gründe dafür. Am Wochenende, klagt er, sei die Leonhardstraße ein „Hipster-Vergnügungspark“ und „keine Erosmeile“ mehr. Immer mehr Laufhäuser verabschieden sich und machen nicht nur wegen Corona den neuen Farben junger Bars Platz.

Die neue Bar Hommage erinnert an frühere, bessere Zeiten im Viertel

Das einstige Bordell Leo  6 etwa wird gerade umgebaut und im Oktober als Feinkost- und Weinbar mit Innenhof unter dem Namen Hommage eröffnet. Die Pächterin Deniz Sever von Miss Peppas, einem Großhandel für Gastronomie, will gegenüber des Restaurants Fröhlich Genüsse zelebrieren als „Hommage an bessere Altstadt-Zeiten“. Die Uhu-Bar, das Laufhaus daneben, dürfte samt der gleichnamigen Erdgeschoss-Kneipe in Wohnzimmergröße nicht mehr so bleiben, wie sie war. Der Mieter hat gekündigt, was der Besitzer nicht akzeptiert. Darüber wird vor Gericht gestritten. Das Haus wird für über drei Millionen Euro im Netz angeboten. Wer es kauft, kann es kaum als Bordell weiterführen – der Bestandsschutz gilt dann nicht mehr.

Zukunft der Uhu-Bar weiter ungewiss

Der 1937 geborene Uhu-Wirt Oskar Müller, ein Veteran des untergehenden Rotlichtmilieus, hat mit Barchefin Klaudia Kacijan noch keine neuen Räume gefunden. Die Fans eines einzigartigen gastronomischen Biotops, das familiären Zusammenhalt ausschenkt, tragen Trauer. Deniz Sever bietet Asyl an: An einigen Tagen soll das Uhu-Team die Bewirtung im Hommage übernehmen.

Ob John Heer und sein griechischer Kollege vom Edelweiß (dieser will nicht mit Namen in der Zeitung stehen) ihre Laufhäuser am 1. Oktober, wie geplant, aufmachen, wissen sie noch nicht. Beide rechnen damit, dass die neue Coronaverordnung erhebliche Einschränkungen mit sich bringt.

Freier finden neue Orte abseits des Rotlichtviertels

Aus den illegalen Bordellen, die bereits geöffnet sind, wird „regelmäßig Krach mit Kunden und Türsteher“ gemeldet, wie ein Insider berichtet. Auf „Testerei und Kontaktdatenangabe“, schreibt ein Stammfreier unserer Zeitung, habe er keine Lust. Er weicht auf Wohnungen in der Olgastraße aus. Dort arbeiten Prostituierte einzeln und verabreden sich über das Netz und über Whatsapp. Da es sich bei ihnen um kein Laufhaus handele, müssten sie nicht Personalausweise mit Impfpässen oder Testresultaten vergleichen. Dies findet also abseits von Kontrolle statt. „In Stuttgart läuft der Wandel der Altstadt vom Rotlichtviertel zur trendigen Barmeile auf Hochtouren“, sagt er.

Zu den neuen Bars, die brummen, zählen das Lieblingsmensch, das Fou Fou, das Roco, das Puf, das Natan, das Einstein sowie die versteckte Cocktailbar Holzmaler, die zu einer Reise in die 1920er einlädt.

„Armutsprostitution ist auch ein Ergebnis der Politik“

Tobt ein Verdrängungskampf? Jörg Kappler, Chef des Holzmalers von der Weberstraße, will die Sexbranche nicht aus dem Viertel verbannen. „Seit Jahrzehnten gibt es bei uns ein friedliches Nebeneinander von Puffs, Animierbetrieben, Wirten, Mietern, Kulturtreffs und sozialen Anlaufstellen“, betont er. Dies sei gut so. Laufhäuser und ein kontrollierter Straßenstrich gehörten zu einer Großstadt, findet der Wirt, der die Seite www.staedtle führt. Doch legal müsse alles sein. „Genau hier liegt das Problem“, erklärt er, „seit Jahren bewegen wir uns in einer Grauzone.“ Durch Verknappung im Viertel und mit Einführung der Vergnügungssteuer hätten sich die Mieten für Laufhauszimmer von 70 Euro täglich auf bis zu 180 Euro erhöht. Seine Kritik: „Die Armutsprostitution ist auch ein Ergebnis der Politik.“

Als kürzlich OB Frank Nopper bei seiner Sommertour samt Begleittross die Altstadt unter die Lupe nahm, hat man ihn „an der Nase herumgeführt“, sagt Messalina-Chef John Heer. Im Viertel spottet man, was passiert sein soll. Keine einzige Prostituierte sei beim Nopper-Besuch auf der Straße gestanden, vorm Corner 17 habe man keine Alkoholiker gesehen, die Weberstraße sei zum ersten Mal seit drei Jahren davor nass gereinigt worden. Hat jemand vom Rathaus dies veranlasst? Aus der Umgebung des OB heißt es, in den Bezirken sei es häufig vielmehr so, dass man unschöne Gegebenheiten vorführe, um Handlungsbedarf zu unterstreichen.

Wie auch immer: Sollte man sich die Altstadt mal wieder tipptopp-sauber wünschen, muss man nur Herrn Nopper einladen.

Zum Schluss der Kolumne ein radikaler Themenwechsel

Radikaler Themenwechsel zum Schluss dieser Kolumne – die Konstante ist der OB: Am Geburtstag seiner Frau Gudrun Nopper besuchte er mit ihr die Gründung des Wirtschaftsclubs Berta Epple auf der MS Wilhelma. Bei dem von Axel Döhner und Hans Jochen Henke initiierten Netzwerk für den Mittelstand sprach Hessens Regierungschef Volker Bouffier auf dem Neckar vor 60 Entscheidern über digitalen Wandel. Spaßeshalber habe sie gesagt, berichtet die First Lady, sie gehe nur mit, „wenn alle ,Happy Birthday’ singen.“ Das ganze Schiff tat’s – und Bouffier schenkte ihr Blumen. Die prominente Hommage an eine OB-Gattin hat dieser gefallen.