Bischöfin Mariann Edgar Budde beim Gottesdienst in der Washington National Cathedral. Foto: dpa/Evan Vucci

Die Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde bei einem Gottesdienst in Washington, in der sie US-Präsident Donald Trump in aller Deutlichkeit bat, barmherzig zu sein, hat aufhorchen lassen. Auch in Stuttgarter Kirchen.

Was für ein Kontrast: Einen Tag nach seiner von viel religiösem Pathos begleiteten Amtseinführung sah sich US-Präsident Donald Trump mit einer christlichen Stimme konfrontiert, die um Barmherzigkeit bat für Menschen, die in den USA von Abschiebung bedroht sind oder dort nun aus anderen Gründen in Angst leben. Über die Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde bei einem interreligiösen Dankgottesdienst in der Nationalkathedrale in Washington wird intensiv diskutiert. Trump forderte inzwischen eine „Entschuldigung“ nannte die Bischöfin, die der amerikanischen Episkopalkirche angehört, eine radikale linke „Trump-Hasserin“.

Schwesig: „Wenn Politiker die Menschenwürde nicht achten muss Kirche das anmahnen“

Vielfach wird ihr jedoch Respekt entgegengebracht. Auch im fernen Stuttgart, wo der evangelische Stadtedekan Søren Schwesig genau hingehört hat, und nun auf Anfrage erklärt: „Ich empfinde tiefen Respekt für die klaren Äußerungen von Bischöfin Budde. Öffentlich hat sie die Mächtigen um Barmherzigkeit gebeten. Nicht mehr und nicht weniger. Und ist so dem Auftrag der Kirche gerecht geworden, im Namen Gottes immer wieder die Bitte um Barmherzigkeit unter den Menschen laut werden zu lassen.“

Die Stimme zu erheben für Menschen, die bedroht werden, sei ein biblischer Auftrag und ein Ergebnis aus der Geschichte der Kirche, sagte Schwesig. Er erinnerte an die sogenannte Barmer Theologische Erklärung von 1934, mit der sich Protestanten gegen die Vereinnahmung der Kirche durch den Nationalsozialismus wehrten. Darin wird betont, dass es die Pflicht der Kirche sei „die Regierenden und Regierten“ an „Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit“ zu erinnern.

„Wenn also politisch Verantwortliche die Menschenwürde nicht achten und sich anschicken, unsere Demokratie zu unterwandern, muss Kirche das anmahnen“, sagte Schwesig. „Kirche soll keine Politik machen, aber sie muss menschenwürdige Politik möglich machen.“ Für ihn ist Bischöfin Budde „in mutiger Weise zu einem Vorbild geworden“.

Hermes: „Bischöfin Budde hat sie nicht benutzen lassen“

Der katholische Stadtdekan Christian Hermes äußerte sich ebenfalls. In einem Gedenkgottesdienst für den vor 80 Jahren hingerichteten früheren württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz am Donnerstagabend in der Domkirche St. Eberhard sagte er in Anspielung auf Trump, man könne sich nur wundern über „Erlösertypen, die sich als gottgesandte Herrscher ausrufen lassen. Hermes kritisierte eine „religiöse Verbrämung“.

Auf Anfrage erklärte er: „Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass politische Autoritäten sich als Herrscher von Gottes Gnaden oder messianische Erlöserfiguren oder Instrumente der Vorsehung aufgespielt hätten. Diese Instrumentalisierung von Religion müssten seriöse Theologen ebenso kritisieren wie verantwortungsvolle Demokraten. „Bischöfin Budde verdient deshalb Respekt für ihren Mut und ihre Aufrichtigkeit“, sagte Hermes: „Denn sie hat sich nicht benutzen lassen, sondern klar daran erinnert, dass auch der mächtigste Mann der Welt sich am Evangelium messen lassen muss, wenn er sich auf das Evangelium berufen will.“