Verdi-Bezirksleiter Martin Gross fordert eine Prämie für Arbeitnehmer im Sozial- und Gesundheitswesen von der Landesregierung. (Archivbild) Foto: dpa/Christoph Schmidt

Arbeitnehmervertreter des Sozial- und Gesundheitswesens im Südwesten fordern Geld von der Landesregierung. Die aktuelle Krise zeige die Probleme des Gesundheitswesens auf.

Stuttgart - „„Jetzt handeln - Klatschen reicht uns nicht!“ - unter diesem Motto fordern fast 300 Arbeitnehmervertreter des Sozial- und Gesundheitswesens im Südwesten von der Landesregierung eine steuerfreie Prämie von 500 Euro im Monat. Vor allem aber soll ihr Bereich auch nach der Corona-Pandemie nicht vergessen, sondern Arbeitsbedingungen und Einkommen verbessert und aufgewertet werden. Ein „Weiter so“ nach der Krise könne es unmöglich geben, was Personal, Ausstattung und Bezahlung betreffe.

„Die Pandemie legt die Mängel schonungslos offen“, sagte Verdi-Bezirksleiter Martin Gross am Donnerstag in Stuttgart. Die Gewerkschaft war einer der Hauptorganisatoren des sogenannten Weckrufs an die Landesregierung und die Öffentlichkeit. Man sehe die Probleme des Gesundheitswesens derzeit wie unter einem Brennglas, und die Folgen seien schlimm für alle.

„Wir arbeiten in der Altenpflege schon seit vielen Jahren am Limit und mit schlechter Bezahlung“, sagte Altenpflegerin Miriam Fischer aus Backnang. Wegen Corona könnten nun nicht einmal Angehörige zu Besuch kommen. Alles konzentriere sich auf die Pflegekräfte - auch die vielen Anrufe besorgter Angehöriger. „Zudem ist bei uns die Frauenquote sehr hoch, doch wie organisieren diese Frauen dann die Kinderbetreuung daheim?“. Sie wünschten sich, dass die enorme Belastung durch eine finanzielle Belohnung widergespiegelt und das Personal aufgestockt werde, um solche Krisen in Zukunft besser zu meistern.

Unverständnis für Maßnahmen mündet in Aggressionen

Auch in anderen Bereichen gebe es Probleme: Im Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg verstehen es die Patienten den Angaben nach nur schwerlich, dass kein Besuch mehr kommen darf und sie nicht hinaus dürfen. Die Folge seien verstärkte Aggressionen, mit denen die Pfleger ohne ausreichende Schutzausstattung klarkommen müssten, sagte Krankenpflegerin Lilian Kilian. Zudem stünden wegen der Corona-Krise immer mehr Drogenabhängige vor der Tür.

Beim Rettungsdienst ist die Situation ähnlich schwierig. „Wir wissen nicht mal, wie wir mit Kollegen umgehen sollen, die zu Risikogruppen gehören“, sagt Ludwig Bertram, Notfallsanitäter vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Schwäbisch Gmünd. Einen Kollegen haben sie bereits an Corona verloren, berichtet der Sanitäter. „Wir haben nur Glück, dass die große Welle ausgeblieben ist, sonst wäre alles zusammengebrochen.“

Unterzeichnet wurde der fast drei Seiten lange Brandbrief an die Landesregierung von 288 Arbeitnehmervertretern in Krankenhäusern, Pflege- und Sozialeinrichtungen des Landes. Auch ein Video haben sie gedreht mit Berichten über ihren momentanen Alltag. Den Brief haben sie am Montag abgeschickt. Von der Landesregierung gab es bis Donnerstagmittag noch keine Reaktion.