Vor fünf Jahren tobte eine Menge junger Menschen durch die Stadt. Als Krawallnacht wurden diese Ausschreitungen schnell bezeichnet. Wie ging die Sache juristisch aus?
Der Ruf nach deutlichen Strafen für die Tatpersonen der Krawallnacht ist vor fünf Jahren gleich am frühen Morgen nach den Ausschreitungen laut geworden. Das Innenministerium hat eine Statistik dazu erstellt. Es wurden mehr als 150 Verfahren geführt und an den Gerichten fielen 79 Urteile zu den Taten jener Nacht, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit.
Krawallnacht 2020: Ausschreitungen und Plünderungen in Stuttgart
In der als Krawallnacht in die Annalen eingegangene Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 kam es zu Ausschreitungen, Randale und Plünderungen in der Stuttgarter City. Die Wut der überwiegend jungen Männer richtete sich in erster Linie gegen die Polizei. Sie diente als Blitzableiter für den in der Coronazeit aufgestauten Frust bei den jungen Menschen. Auslöser der Unruhen war eine Routinekontrolle nahe dem Eckensee im Schlossgarten. Eine Streife überprüfte einen jungen Mann, weil sie den Verdacht hatte, er hätte mit Drogen gehandelt.
Solidarisierung: Mit der Kontrolle eines mutmaßlichen Dealers fängt es an
Das führte zu einer Solidarisierung der Umstehenden mit dem Kontrollierten und gegen die Polizei. Die Zahl der Beteiligten, die im Laufe der Nacht gegen die Polizei stürmten und sie mit Steinen und Flaschen bewarfen, wird auf mehrere Hundert geschätzt. Die Tatpersonen zogen auch plündernd durch die Stadt, schlugen Schaufenster ein und räumten Auslagen leer. Der Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte damals gleich am nächsten Tag: „Die Ermittlungsbehörden arbeiten wirkungsvoll und erfolgreich. Die klare Botschaft ist: Wir kriegen euch!“
Das ist die Bilanz:
- Tatnacht: Die ersten Tatverdächtigen konnte die Polizei bereits in der Nacht festnehmen. Das waren 25 Personen.
- Ermittlungsgruppe: Aufgrund der Komplexität und der unzähligen Spuren und Beweise – unter anderem mussten Hunderte Handy-Videos ausgewertet werden – richtete die Polizei die Ermittlungsgruppe Eckensee ein. Bis zu 100 Ermittlerinnen und Ermittler arbeiteten in dieser. Damit war die EG Eckensee die größte, die jemals im Land Baden-Württemberg eingerichtet wurde, teilt der Sprecher des Ministeriums mit. Die Ermittlungsgruppe bestand bis zum Frühjahr 2021.
- Verdächtige: Die Polizei ermittelte gegen 167 Personen, gegen die 155 Ermittlungsverfahren liefen. Diese Zahl registrierte die Staatsanwaltschaft, als sie die Verfahren übernahm. Gegen 150 Personen wurde konkret ermittelt. In den übrigen 17 Fällen mussten die Verfahren eingestellt werden. Von den 150 Tatverdächtigen waren 114 bereits zuvor schon strafrechtlich in Erscheinung getreten. Eine zertrümmerte Schaufensterscheibe dpa
- Urteile: An den Amtsgerichten Stuttgart und Bad Cannstatt und am Landgericht Stuttgart wurden 79 Verurteilungen ausgesprochen. Zu den Tatvorwürfen zählten versuchter Totschlag, Körperverletzungsdelikte, räuberischer Diebstahl, Landfriedensbruch, tätlicher Angriff auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung und falscher Verdächtigung bis zu Beleidigung.
- Jugend- und Freiheitsstrafen und Strafbefehle: Das Strafmaß reichte bei den Jugend- und Freiheitsstrafen von sechs Monaten mit Bewährung bis zu vier Jahre und drei Monate. Etwa die Hälfte waren Bewährungsstrafen.
- Strafbefehle: Insgesamt wurden 17 Strafbefehle erlassen. Der niedrigste war über 55 Tagessätze, der höchste über ein Jahr Haftstrafe mit Bewährung.
- Abschluss: Die Krawallnacht galt im Herbst 2021 als juristisch aufgearbeitet. Es sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart keine Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang mehr offen.