Andreas Hettinger hofft auf eine Öffnung im März: „Die Kassen sind bei uns irgendwann auch leer.“ Foto: Lichtgut//Achim Zweygarth

Für manchen Gastronomen ist das Mitnahmegeschäft derzeit der einzige Zeitvertreib, das kleine Gourmet-Restaurant Délice an der Hauptstätter Straße verzichtet darauf. Sternekoch Andreas Hettinger ist im Dauerurlaub: „Und irgendwann sind alle Zimmer gestrichen“, sagt er im Gespräch.

Stuttgart - Die Sternelandschaft in Stuttgarts Gastroszene ändert sich. Das Top Air am Flughafen ist geschlossen, beim Hotel am Schlossgarten fragen sich alle, wie es weitergeht. Eine verlässliche Größe bleibt das Délice, Sternekoch Andreas Hettinger verrät im Gespräch, wie es ihm im Langzeiturlaub ergeht.

Haarige Zeiten, Herr Hettinger?

Ja, das ist meine Coronafrisur, ich habe einfach zu viele Haare. Und zum Friseur darf man ja auch nicht.

Was macht jemand wie Sie, der ansonsten richtig viel arbeitet, in dieser Zeit? Traurig sein?

Nein, es ist ja nicht alles negativ. Ich bin glücklich, weil ich sehr viel Zeit mit meiner Tochter verbringen kann, das ist in der normalen Zeit nicht der Fall. Aber irgendwann hat man eben alle Zimmer in der Wohnung neu gestrichen ...

Immerhin stimmen die Aussichten, das Délice wird die Krise überstehen. Auch weil es so klein ist?

Bei uns ist natürlich alles einfacher, ich koche hier allein. Wir haben zum Beispiel keine Azubis, für die wir verantwortlich sind, weshalb wir uns entschieden haben, zu zu lassen. Im Frühjahr haben wir dafür sofort am 18. Mai geöffnet, das würden wir auch jetzt sofort wieder tun. Wir haben im Oktober ja extra noch in die Plexiglasscheiben zwischen den Tischen investiert! Aber die belassen wir auch da.

Andere Sternelokale verschwinden ganz von der Bildfläche?

Das Top Air ist ja zu, genau, und beim Hotel am Schlossgarten weiß man auch nicht, wie es weitergeht, dort ist das ganze Personal weg. Aber es bleiben auf jeden Fall nicht nur Sterneläden auf der Strecke.

Sie haben keine Sorgen?

Durch die Hilfen sind die Fixkosten wenigstens gedeckt. Aber mehr auch nicht. Und die Kassen sind dann auch bei uns irgendwann leer. Wir hoffen halt sehr, dass wir im März wieder aufmachen dürfen. Aber diese ganze Unsicherheit macht einen schon mürbe im Kopf.

Sie sind bereit für den Neustart?

Ich glaube schon, dass man erst mal drei bis vier Tage braucht, um wieder in die Spur zu kommen, man muss den inneren Schweinehund erst mal wieder bezwingen.

Was glauben Sie, wird sich durch die lange Pause verändern?

Vieles! Ich glaube, die Euphorie bei den Gästen wird groß sein. Ich vermute, sie verstehen inzwischen den ganzen Aufwand, wissen wie viel Arbeit das ist. Weil sie selber kochen mussten. Die Leute können dann einfach wieder ins Restaurant gehen und müssen nicht hinterher die Küche aufräumen und abspülen. Und sie werden wieder genießen können. Wer zum Beispiel macht sich zu Hause denn Gedanken über den passenden Wein zum Essen? Bei uns nehmen 99 Prozent der Gäste die Empfehlung meines Chefs Evangelos Pattas auch dankend an.

Und den Glauben, dass es im März Lockerungen gibt, halten Sie nicht für sehr optimistisch?

Wissen Sie, es hängen ja so viele Branchen an den Restaurants, das darf man nicht vergessen. Taxifahrer, Handel, Brennereien, Weingüter. Ich hoffe einfach, dass es im März wieder geht.