Der Andrang war groß beim Frühlingsfest, viele Familien sind in diesem Jahr auf den Wasen gekommen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Keine Zelte, keine Maßkrüge und eingeschränkte Öffnungszeiten – der Wasen-Rummel lief anders ab als bisher. Die Besucher kamen zuhauf – und die Polizei verzeichnete 60 Prozent weniger Straftaten als bisher.

In bestem Sprachmischmasch hatten die Verantwortlichen das 82. Stuttgarter Frühlingsfest als „Frühlingsfest light“ bezeichnet – und waren mit einiger Ungewissheit nach zwei Jahren Pause in den Wasenrummel gestartet. Doch siehe da, das Frühlingsfest wurde von den Besuchern gewogen und nicht für zu leicht befunden. Im Gegenteil. Das „Frühlingsfest light“ hat bestens funktioniert.

Andreas Kroll, Geschäftsführer der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart, freut sich über „unglaubliche Besuchermassen“ und sagt: „Wir sind mit einer Light-Version an den Start gegangen, die aber schnell zu einer Vollversion wurde. Bis zum Sonntag werden wir auf rund 1,3 Millionen Besucher kommen.“ Und das, „obwohl wir bewusst Ruhetage gemacht haben“.

Zwei Ruhetage in der Woche

Montags und dienstags außerhalb der Osterferien blieb der Festplatz geschlossen, zudem waren die Öffnungszeiten reduziert, das Frühlingsfest begann später am Tag und hörte früher auf als üblich. Zudem hatten die drei Festwirte ihre Zelte nicht aufgebaut, sie hätten Anfang des Jahres mit dem Aufbau beginnen müssen, doch damals war noch nicht absehbar, welchen Verlauf die Pandemie nimmt und wie gefeiert werden kann. Deshalb hatten die Wirte auf die Teilnahme verzichtet.

Viele Familien kamen

Dem Fest hat das offenbar nicht geschadet. Oder wie Mark Roschmann, der Vorsitzende des Schaustellerverbands Südwest, es sagt: „Wir Schausteller haben gezeigt, dass wir es auch alleine können. Der Festplatz funktioniert, wenn Karussells stehen.“ Den Befund der Schausteller, dass andere Besucher kamen, bestätigt auch die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart. Kroll: „Das war schon eindrucksvoll, insbesondere, wie viele Familien das Frühlingsfest als Ausflugsziel neu entdeckt haben.“

Weniger Straftaten

Das führte bei der Polizei zu ganz anderen Einsätzen als sonst üblich. Es war weitaus öfter der Freund und Helfer gefordert als der Schutzmann. 20 Kinder gingen verloren, die Polizei musste ihnen helfen, ihre Familien wiederzufinden. Deutlich mehr als bei der bisher letzten Auflage im Jahr 2019. Ansonsten war es für Jörg Schiebe, Leiter des Polizeireviers Bad Cannstatt und damit der Wasen-Wache, und seine Kollegen ein entspanntes Fest. „Wir hatten im Vergleich zu den normalen Jahren insgesamt rund 60 Prozent weniger Einsätze.“ 204 Fälle von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verzeichnete die Polizei. Die gefährlichen Körperverletzungen gingen um 80 Prozent zurück, Widerstand gegen die Polizei sind nur noch ein Drittel der Fälle. Dass die Polizei mehr Zeit hatte, war schlecht für Kiffer. Die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz blieben gleich hoch, die Beamten hatten mehr Zeit für Kontrollen.

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Wie geht es weiter?

Es war also ein weitaus friedlicheres Fest mit ähnlich vielen Besuchern wie sonst. Da liegt es nahe, auch künftig auf Festzelte und Maßkrüge und ausufernde Partys zu verzichten, oder etwa nicht? Eine Ansicht, die Festwirte und Brauereien alarmiert hat, hinter den Kulissen wird schon eifrig diskutiert. Aus dem Fenster lehnen möchte sich aber keiner der Beteiligten. Auch Roschmann nicht. „Die Stadt muss entscheiden, was sie möchte“, sagt er, „wenn ich ein Iron-Maiden-Konzert veranstalte, muss ich mich nicht wundern, wenn die Fans von Justin Bieber nicht kommen.“

Reaktion auf Vorwürfe

Andreas Kroll hält sich ebenso bedeckt: „Wir werden in den kommenden Wochen mit den Schaustellerverbänden, den Sicherheitsbehörden, den Festwirten und der Stadt als Veranstalterin die Situation analysieren und dann die Vorplanungen für das kommende Jahr starten.“ Das wird eine Diskussion für die nächsten Monate sein, wegen der aktuellen Diskussion über Sexismus meldete sich Kevin Kratzsch, Vizepräsident des Deutschen Schaustellerbundes, zu Wort. Ihm war es wichtig zu sagen: „Wir Schausteller sind weder rassistisch noch diskriminierend. Auf unseren Festen sind wir offen für alle Menschen.“ Und wer die Frauen der Schaustellerfamilien kenne, der wisse, dass auf den Festplätzen Gleichberechtigung gelebt werde.

Keine Ermittlung mehr

Die Polizei ermittelt wegen zweier Fälle von sexueller Belästigung. Gegen einen Mitarbeiter eines Geschäfts wird hingegen nicht mehr ermittelt. Auf diesen Fall war in dem Antrag der Grünen hingewiesen worden, in dem sie die sofortige Entfernung von sexistischen Darstellungen gefordert haben. Da hieß es: „In einer Umgebung, in der Frauen als verfügbare Ware dargestellt werden, überraschen Berichte über sexuelle Übergriffe leider nur wenig.“ Die Polizei sagt dazu, es habe kein Straftatbestand vorgelegen, der Mann habe die Frauen angesprochen, aber nicht berührt.

Nun wird für das 175. Cannstatter Volksfest geplant. Diese Version wird aber nicht light ausfallen, sondern ganz normal.