Das Frühlingsfest, im Vorjahr ein Erfolg ganz ohne Zelte. Und dieses Jahr? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Beim Friseur ist es normal. Auch in den meisten Museen. Montag ist Ruhetag. Das hat man dieses Jahr auch für das Frühlingsfest diskutiert. Oder zumindest wollte man die Zelte schließen. Was ist daraus geworden?

Dass Stuttgart einen Bahnhof hat, der funktioniert, oder dass der VfB deutscher Meister wird, das könnte man Utopien nennen. Ein Frühlingsfest ohne Zelte, ist das auch eine Utopie?

Auf Utopia gibt es keinen Alkohol

Utopien, den Begriff präge der englische Philosoph, Anwalt und Diplomat Thomas Morus. „Utopia“, so nannte Morus in seinem 1516 erschienen Werk seine Insel der Seligen. Dort gibt es keinen Privatbesitz, alle arbeiten nur sechs Stunden am Tag, die Häuser werden alle zehn Jahre gewechselt, Geld gibt es keines. Und auf „Utopia“ gibt es keinen Alkohol. Nimmt man das als Maßstab, so dürften sich viele Schausteller im vergangenen Jahr beim Frühlingsfest wie auf ihrem ganz persönlichen Utopia gefühlt haben.

Was wurde diskutiert?

Der Pandemie wegen keine Zelte, keine Partys, keine Maßkrüge. Alles Dinge, die man für unverzichtbar hielt. Und doch verzichtbar waren. Es war ein weitaus friedlicheres Fest mit 60 Prozent weniger Einsätzen der Polizei mit ähnlich vielen Besuchern wie sonst, nämlich gut 1,3 Millionen. Kein Wunder, dass Stimmen laut wurden, die sich fragten, ob man das Frühlingsfest nicht weiter ohne Zelte betreiben solle.

Was sagen die Beteiligten?

Doreen Franck betreibt eine Ballwurfbude und hatte beobachtet, dass es weniger Streit gebe, die jungen Leute zwar trotzdem da seien, aber nicht mehr „kostümiert“ und in der Gruppe. Ihr Kollege Lutz Vorlop sah „weniger Betrunkene“ und „kein Rüpelvolk“. Tatsächlich diskutierten die Veranstalterin in.Stuttgart und Kämmerer und Wasenbürgermeister Thomas Fuhrmann mit den Wirten und Schaustellern verschiedene Varianten. „Es gab die Überlegung, montags für den gesamten Platz einen Ruhetag einzulegen“, sagt Marcus Christen von in.Stuttgart, „aber wir haben auch geprüft, nur die Zelte zu schließen“. Doch fällt dieses Jahr der 1. Mai auf einen Montag, mutmaßlich der Tag, der bei annehmbarem Wetter die meisten Menschen auf den Wasen ziehen wird. Darauf wollten weder Wirte noch Schausteller verzichten. Mutmaßlich wäre auch das Verständnis beim Publikum nicht sehr groß gewesen. Zudem ist am Montag, 25. April, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zu seinem traditionellen Treffen im Zwei-Jahres-Rhythmus bei den Wirten Hans-Peter Grandl und Marcel Benz im Hofbräu-Zelt. Eine solche Veranstaltung mit langem Vorlauf lässt sich nicht einfach absagen. Also verzichtete man auf Ruhetage und Schließzeiten für die Zelte.

Wer hat welche Interessen?

Die Fronten sind nicht klar gezogen. Da gibt es den Familienbetrieb, der kaum Angestellte hat. Die wollen 23 Tage lang offen haben. Bei den großen Fahrgeschäften sieht es anders aus, die zahlen drauf, wenn montags oder dienstags kaum jemand kommt. Sie können mit einem Ruhetag gut leben. Und dann gibt es die Schausteller, die sich an den Zelten stören, weil sie vor allem deren Auswüchse nerven, Betrunkene, die ihre Kinderstube vergessen haben. Andere schätzen die Zelte, weil sie Publikum aufs Fest bringt, Menschen, die vor Ort etwas essen und Karussell fahren.

Wie viele Zelte gibt es?

So diskutierte man, beließ alles beim Alten – und nun gibt es sogar ein viertes Zelt. Nina Renoldi wird nach ihrer Premiere beim Volksfest ihre Königsalm auch beim Frühlingsfest aufbauen. Statt keiner Zelte hat man nun sogar eines mehr. Ein Frühlingsfest ganz ohne Bierhütten, das bleibt eine Utopie.

Stuttgarter Frühlingsfest

Dauer
Das Frühlingsfest auf dem Wasen beginnt am 22. April und endet am 14. Mai. Es ist samstags von 11 bis 24 Uhr geöffnet, freitags von 13 bis 24 Uhr. Montags bis donnerstags von 13 bis 23 Uhr und sonntags von 11 bis 23 Uhr. Am 30. April ist von 11 bis 24 Uhr geöffnet. Am 1. Mai von 11 bis 23 Uhr.