Kahlschlag:Die fest am Maschendrahtzaun verwachsene Wickenhecke auf einer Trockenmauer wurde samt der Wurzeln ausgerissen. Foto: privat/z

Durch eine von der Stadt beauftragte Rückschnittaktion wurde ausgerechnet der mit dem Umweltpreis prämierte Permakulturgarten von Heike Maresch und Alexander Schmidt auf Wangener Höhe in Mitleidenschaft gezogen.

Wangen - Seit acht Jahren pflegen Heike Maresch und Alexander Schmidt einen besonderen Garten auf der Wangener Höhe: Sie bewirtschaften zwei Flurstücke im Gewann Oberes Letterle als Permakulturgarten, also im Einklang mit der Natur. Für Laien mag dieses scheinbare Wirrwarr so aussehen, als ließen sie dort alles einfach so wachsen wie es will. Doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Alles in diesem nachhaltigen Garten ist bis ins kleinste Detail geplant. Und so ist ihr „Paarzellchen“ ein Paradies für Insekten, Vögel und Reptilien geworden. Ein prämiertes dazu. „Letztes Jahr haben wir für unsere Mühen den Umweltpreis der Stadt Stuttgart erhalten“, berichtet Heike Maresch stolz. Mit der Auszeichnung wurden Projekte und Maßnahmen zum Schutz einheimischer Insekten und zum Erhalt ihrer Lebensgrundlagen gewürdigt. Der erste Preis in der Kategorie Bürgerinnen und Bürger war immerhin mit 1000 Euro Prämie verbunden.

Jetzt aber sind die Geehrten stinksauer auf die Stadt. Denn Anfang September wurde der Permakulturgarten durch einen Grünrückschnitt, den offenbar das Tiefbauamt in Auftrag gegeben hatte, empfindlich beschädigt. Entlang eines Maschendrahtzauns, der sich auf einer Trockensteinmauer befindet, wurden die fest mit dem Zaun verwachsenen Wicken mitsamt der Wurzeln entfernt – vorgeblich damit die Pflanzen nicht in den Weg hineinragen. „Wieder wurde Vegetation bis auf den letzten Millimeter entlang der Trockensteinmauern abrasiert – wo sich derzeit noch geschützte Eidechsen vor der Winterstarre sonnen.“

Eindeutig als Permakulturgarten erkennbar

Der Kahlschlag ärgert Heike Maresch maßlos. Nicht nur, weil dazu kein Anlass bestanden habe: „Wir achten darauf, dass die Hecke den Fahrweg nicht verengt.“ Sondern weil es schon das dritte Mal sei, dass ihr Garten durch städtische Mäharbeiten in Mitleidenschaft gezogen wurde, beschwert sie sich in einem Schreiben an Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Umweltbürgermeister Peter Pätzold. Dabei hänge an jenem Zaun sogar die Urkunde samt Informationen über Projekt. „Unsere Infotafeln führen immer wieder zu Gesprächen mit Interessierten. Der Garten ist eindeutig als bewirtschafteter Permakulturgarten zu erkennen.“

Die Frage ist wohl eher rhetorischer Art: „Wer ersetzt uns die mühevoll etablierten Pflanzen?“ Der materielle Schaden mag gering erscheinen, der ökologische Schaden ist jedoch riesig. „Das Saatgut dazu stammt aus heimischer Sammlung und wurde über Jahre immer wieder im Kaltsaatverfahren ausgebracht, um eine lückenlose, natürliche Zaunbegrünung zu schaffen, die mehrere Zwecke zugleich erfüllt, erläutert Heike Maresch. Diese Wicken seien wertvoll als natürlicher Sicht- und Windschutz, als „Sonnenfalle“, die im Winter den eisigen Nordosthang wärmt, als Nährstofflieferant für Pflanzen, als Nahrungsquelle für Insekten, als Unterschlupf für Kleinsäuger und Vögel. „Jetzt ist sämtlicher Nutzen verloren.“ Wachsen werde hier vor dem Winter nämlich nichts mehr. Vielleicht sogar gar nichts mehr, „denn auch das Saatgut ist ja nun weg“.

Bundesnaturschutzgesetz verordnet Schnittpause

Beim Blick auf das Desaster kann Heike Maresch nur fassungslos mit dem Kopf schütteln. „Wann endlich nutzen die Ämter der Stadt Stuttgart die Vielfalt ihres Fachwissens? Wir haben ein Umweltamt und ein Garten-, Friedhofs- und Forstamt – an Expertise mangelt es nicht.“ Und warum halte man sich nicht an klare Vorgaben? Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet, in der Zeit vom 1. März bis 30. September Hecken, Gebüsch und Gehölze abzuschneiden oder „auf den Stock zu setzen“, also knapp über dem Boden zu kappen. „Schon wieder wurde zu einer Jahreszeit, in der dem Privatgärtner der Rückschnitt von Bäumen und Hecken aus gutem Grund verboten ist, ein sinnfreier, ökologisch nicht vertretbarer Kahlschlag veranlasst.“ Eine Antwort auf ihre Fragen und Beschwerden hat Heike Maresch auch nach vier Wochen noch nicht erhalten.