Die Corona-Krise macht sich auf dem Ausbildungsmarkt bemerkbar: Viele Unternehmen sind derzeit damit beschäftigt, ihre Existenz zu sichern, und reagieren bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen zurückhaltend. Foto: dpa

Die Corona-Krise macht sich auf dem Ausbildungsmarkt bemerkbar: Viele Unternehmen sind derzeit damit beschäftigt, ihre Existenz zu sichern, und reagieren bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen zurückhaltend.

Untertürkheim - Tausende Schülerinnen und Schüler machen in den kommenden Wochen ihre Prüfungen und feiern ihren Abschluss. Und was kommt danach? Die Corona-Krise hat die Planung des beruflichen Lebenswegs vieler Jugendlicher ins Stocken gebracht. Dies liegt nicht nur an den späteren Prüfungsterminen als geplant, viele potenzielle Ausbildungsbetriebe zögern zurzeit noch, ob sie am 1. September überhaupt einen Ausbildungsplatz anbieten werden. „Die Corona-Krise beschleunigt den Rückgang der Ausbildungsplätze in Deutschland“, befürchtete Bundesbildungsministerin Anja Karliczek vor wenigen Tagen. Derzeit gebe es bundesweit ein Minus bei den angebotenen Lehrstellen von knapp acht Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Die Tendenz deckt sich mit den Erfahrungen der Agentur für Arbeit, der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Stuttgart. „In den ersten vier Monaten des Jahres nahm die Zahl der abgeschlossenen Verträge um 13,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ab“, sagt Bernd Stockburger, der Geschäftsführer für Berufliche Bildung in der Handwerkskammer Stuttgart. Die Zahlen seien aber nur eine Momentaufnahme, betont er. Susanne Koch, die Vorsitzende der Agentur für Arbeit, fügt hinzu: „Sie sind immer Schwankungen unterworfen und bis zum Ausbildungsbeginn im Herbst könne sich erfahrungsgemäß noch einiges bewegen.“ Die Ausbildungsexperten sind zwar alarmiert, aber noch vorsichtig zuversichtlich.

Unsicherheit in den Betrieben

Die Unsicherheit ist sowohl in den Betrieben als auch bei den Bewerbern spürbar. „Wir haben von vereinzelten Fällen erfahren, bei denen bestehende Verträge wieder gelöst wurden. Viele Ausbildungsbetriebe wollen zuerst warten, wie sich die Situation in den Betrieben entwickeln wird, bevor sie sich für einen neuen Lehrling entscheiden“, sagt Doris Reif-Woelki, die Pressesprecherin der Agentur für Arbeit. Ihre Kollegen seien gerade dabei, telefonisch in den Betrieben nachzufragen, um dann möglichst präzise Mai-Zahlen präsentieren und gegebenenfalls reagieren zu können.

Stockburger geht davon aus, dass sich die Situation bis zum Ausbildungsstart wieder entspanne und bittet die Ausbildungsplatzsuchende um Geduld und Verständnis. „Ein Inhaber eines Friseursalons oder eines anderen Betriebes, der wochenlang geschlossen war, ist momentan mit Vorschriften und der Zukunftssicherung beschäftigt. Er macht sich gerade noch keine Gedanken und hat nur wenig Zeit, sich um die Ausbildungsplatzvergabe im Herbst zu kümmern.“ Sobald sich die Situation aber stabilisiere und der Arbeitsalltag sich normalisiere, steige auch die Bereitschaft der Ausbilder. „Denn wer jetzt nicht aktiv wird, bekommt die Krise nach der Krise“, meint Gerd Kistenfeger, der Pressesprecher der Handwerkskammer.

Deswegen motivieren sowohl die Handwerkskammer als auch die IHK ihre Mitgliedsbetriebe, an die Zukunft zu denken. „Wir haben einen Fachkräftemangel. Die Betriebe haben vor der Corona-Krise händeringend nach Auszubildenden gesucht. Viele Stellen sind unbesetzt geblieben. Jetzt besteht für Arbeitgeber und für Schulabgänger die Chance, zueinanderzufinden“, sagt auch IHK-Pressesprecherin Anke Seifert. Sie macht den Jugendlichen Mut, die vielfältigen Informationsportale zur Ausbildung und Bewerbungsmöglichkeiten zu nutzen.

Nicht entmutigen lassen

Dem stimmt Koch zu. „Jugendliche sollten sich jetzt nicht von ihrem Ausbildungswunsch abbringen lassen. Es gibt keinen Grund, das Ausbildungsjahr unter den veränderten Voraussetzungen von vorneherein abzuschreiben und generell für ein Jahr nach Alternativen zu suchen,“ sagt die Chefin der Arbeitsagentur und appelliert an die Betriebe. Auch wenn Corona alles durcheinanderbringe, ändere das nichts an der Tatsache, dass die Generation der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren in Rente gehen und Fachkräfte dringend benötigt würden.