Abstand halten! Die Rinkenberg-Apotheke bedient Kunden nur noch am Eingang. Foto: Elke Hauptmann

Um ihre Mitarbeiter zu schützen, lassen sich die Apotheken in den Oberen Neckarvororten derzeit kreative Lösungen einfallen, um den Kontakt mit Kunden so gering wie möglich zu halten.

Untertürkheim - Not macht erfinderisch: Monika Schwarzhaupt hat einen Gartentisch in den automatisch öffnenden Eingang der Rinkenberg-Apotheke in Wangen gestellt, darauf ist eine gut ein Meter hohe Plexiglasscheibe montiert. Die Apothekerin selbst steht mit Mundschutz und Gummihandschuhen ausgestattet hinter dem durchsichtigen Schutzschild un d bedient kontaktlos du rch die etwa 15 Zentimeter große Öffnung zwischen Tisch und Scheibe. Die Kunden ste hen im Freien und müssen 1,50 Meter Abstand voneinander halten – dabei helfen die provisorisch auf dem Boden angebrachten neonfarbenen Streifen. Bar bezahlt wird nicht direkt in die Hand, vielmehr wird das Geld in eine Plastikschale gelegt. „Und nach jeder Kartenzahlung wird das Lesegerät desinfiziert“, schildert Schwarzhaupt ihren Alltag in Zeiten von Corona.

Um ihre Mitarbeiter zu schützen, lassen sich die rund 125 Stuttgarter Apotheken derzeit kreative Lösungen einfallen, um den Kontakt mit Kunden so gering wie möglich zu halten. Monika Schwarzhaupt hat sich dafür entscheiden, dass niemand die Apotheke betreten darf – verkauft und beraten wird seit gut einer Woche über die Ladentheke Marke Eigenbau. „So können wir das Ansteckungsrisiko minimieren“, sagt Schwarzhaupt. Denn der Ansturm sei derzeit groß, mindestens doppelt so viele Kunden wie üblich würde sie derzeit registrieren.

Verständnis bei Kunden wächst

Beate Merz-Hammel, die Eigentümerin der Alten Apotheke in Untertürkheim, lässt die Kunden noch in den Verkaufsraum – „aber maximal drei.“ So viele Bedientheken gibt es in der Apotheke. Und sie alle sind mit Plexiglasscheiben versehen worden, dem sogenannten Spuckschutz. Wer als Vierter eintritt, wird vom Personal freundlich, aber bestimmt nach draußen verwiesen. „Die meisten Kunden haben Verständnis“, erzählt Merz-Hammel durch den Mundschutz hindurch. Aber es gebe durchaus auch einige Uneinsichtige, die den Ernst der Lage und die daraus abgeleiteten Maßnahmen nicht verstehen und ungehalten reagieren würden. Dabei weist sie ihre Kunden auf einem Schild am Eingang ausdrücklich darauf hin, dass sie zu deren eigener Sicherheit und der ihres Personals einen betrieblichen Pandemieplan umsetzt. Der sieht zum Beispiel auch vor, dass ihre Mitarbeiter in zwei Schichten arbeiten. Mittags ist Schichtwechsel, die Apotheke wird für ein paar Minuten zu gemacht, alles desinfiziert, dann kommt das zweite Team. „Wir vermeiden den Kontakt zur anderen Schicht komplett, damit wir im Falle des Falles nicht alle in Quarantäne müssen“, sagt Merz-Hammel. Die Öffnungszeiten wurden bislang noch nicht eingeschränkt. Das käme angesichts des Hochbetriebs für sie auch nicht infrage. Aber die Apothekerin räumt ein: „Wir arbeiten bereits am Anschlag.“

Große Nachfrage nach Medikamenten

Während die Apotheke Alte Mühle in Obertürkheim bis auf weiteres maximal sechs Kunden gleichzeitig im Verkaufsraum bedient, müssen die Kunden vor der Rathaus-Apotheke in Hedelfingen so lange vor der Tür warten, bis ein Bedienschalter frei wird. Die Untertürkheimer Widdersteinapotheke lässt nur höchstens zwei Personen rein. Und die sollen, so steht es auf den Hinweiszetteln am Eingang, sich auch nur so kurz wie möglich im Verkaufsraum aufhalten. Die üblichen Dienstleistungen wie Blutdruckmessen oder Cholesterinwertbestimmung werden derzeit nicht durchgeführt – auch das dient dem Infektionsschutz. „Die Kunden gewöhnen sich langsam an die Einschränkungen“, stellt Eigentümerin Margot Strauß fest. Stark nachgefragt seien derzeit im Übrigen nicht nur Desinfektionsmittel, die vielerorts wie Mundschutz ausverkauft sind, sondern vor allem Mittel gegen Erkältungssymptome wie Fieber, Schmerzen und Schnupfen. Auch viele chronisch Kranke würden verstärkt Rezepte einlösen. Die Folge: Nicht alles sei mehr vorrätig, räumt die Apothekerin ein. „Über 200 Medikamente sind derzeit nicht lieferbar“, sagt Strauß.

Mit dem grassierenden Coronavirus hat der Arzneimittelengpass indes wenig zu tun – zumindest noch nicht. Lieferengpässe kennen die Apotheker schon seit Jahren, seit viele Hersteller im Ausland, vor allem in China, produzieren. Wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände betont, „gibt es keinen Grund, Arzneimittel zu hamstern“.