Hochzeiten sehen seit gut einem Jahr coronabedingt anders aus als sonst. Foto: dpa/Franticek Iván

Im Coronajahr 2020 wurden in Stuttgart im Schnitt 20 Prozent weniger standesamtliche Trauungen verzeichnet. In Untertürkheim und Wangen jedoch haben sich mehr Paare getraut.

Untertürkheim - Der Kuss zum Abschluss der Trauzeremonie sei trotz allem noch erlaubt, sagt Verena Rathgeb-Stein lachend. „Dafür dürfen die Brautpaare die Maske auch kurz abnehmen.“ Doch in Zeiten der Corona-Pandemie sehen standesamtliche Trauungen seit fast einem Jahr anders aus als sonst: Eheschließungen gibt es nur mit 1,5 Metern Abstand und im kleinsten Kreis – im derzeitigen Lockdown sind lediglich das Brautpaar und der Standesbeamte im Raum zugelassen.

2484 Paare sagten Ja

So stellen sich viele Brautpaare den schönsten Tag im Leben sicher nicht vor. Die Folge: Viele verschieben ihre geplante Hochzeit. Und so haben im vergangenen Jahr deutlich weniger Paare den Bund fürs Leben geschlossen, berichtet die Leiterin des Stuttgarter Standesamts von einem Rückgang um durchschnittlich etwa 20 Prozent. Insgesamt habe es in den 18 Standesämtern der Landeshauptstadt 2484 Trauungen gegeben, 2019 seien es noch 3041 gewesen.

Allerdings war die Verunsicherung bei den Brautpaaren offenbar nicht überall gleich groß, stellt Rathgeb-Stein mit Blick auf die Statistik fest. Krisenzeiten hätten eben auch etwas Gutes: Man besinne sich auf Wichtiges. „Es hat Paare gegeben, die sich ganz bewusst jetzt für eine Trauung entschieden haben“, sagt Rathgeb-Stein. Im Coronajahr 2020 haben in einigen Stadtbezirken sogar mehr Eheschließungen stattgefunden als im „normalen“ Jahr zuvor. In Untertürkheim zum Beispiel gab es 92 Eheschließungen (2019: 74) und in Wangen 48 (2019: 45). In Obertürkheim gab es 69 standesamtliche Hochzeiten (2019: 76), in Hedelfingen 13 (2019: 22), in Bad Cannstatt 450 (2019: 491) und in der Innenstadt 898 (2019: 1037).

Viele Termine verschoben

E in Grund für den Rückgang könnte nebe n den strengen Hygieneauflagen auch sein, dass zahlreiche der fast 30 Wunschtrauorte im Stadtgebiet im Lockdown geschlossen waren – und diese besonderen Orte sind vielen Brautpaaren wichtig. Jede fünfte Eheschließung findet mittlerweile in ausgewählten Räumlichkeiten statt. Wer dort für 2020 schon gebucht hatte, dem wurde als Alternative ein Termin am gleichen Tag zur gleichen Zeit in einem Standesamt angeboten, berichtet Rathgeb-Stein und fügt schmunzelnd hinzu: So manchem Paar habe dieser intimere Rahmen auch gefallen.

Wie viele Hochzeiten in Stuttgart aufgrund der widrigen Umstände abgesagt oder auf einen späteren Zeitpunkt verlegt wurden, kann Rathgeb-Stein nicht konkret beziffern. Eine Gesamtzahl liege nicht vor, da jedes Standesamt in der Landeshauptstadt die Zahlen für sich erfasse. Im Standesamt in der Eberhardstraße, für das sie zuständig ist, hätten im vergangenen Jahr nur neun Paare ihren Termin ganz abgesagt und die Trauung auf unbestimmte Zeit verschoben. Der überwiegende Teil der Brautleute habe innerhalb des Jahres umgebucht – in der Hoffnung, dass sich die Corona-Situation und die strengen Beschränkungen wieder änderten. „Es gab sogar Fälle, da wurde der Trautermin vorverlegt, weil ja niemand wissen konnte, wie sich die Lage entwickeln wird“, erzählt Rathgeb-Stein. Generell sei der Beratungsbedarf bei den angehenden Brautpaaren wegen der besonderen Umstände groß gewesen, bilanziert die Standesbeamtin.

Trend zu kurzfristiger Terminplanung

Derzeit sei nicht abzusehen, was aus Trauungen in diesem Jahr wird. Ob sich wieder mehr Paare das Jawort geben wollen, ließe sich derzeit überhaupt nicht einschätzen. „Aber wir sind gewappnet.“ Es gebe bereits viele Anfragen und Buchungen für 2021, aber es sei noch kein Monat ausgebucht, sagt Rathgeb-Stein und verweist auf den Online-Traukalender, den es seit vergangenen Juli gibt. Dort kann man – auch lange im voraus – seinen Wunschtermin reservieren. Allerdings beobachtet sie den Trend, dass Paare das Datum für den großen Tag momentan lieber kurzfristig festlegen. Absagen seien jederzeit möglich, „sogar bis kurz vorher“. Man frage auch nicht nach den Gründen dafür, betont die Standesamtsleiterin. Allerdings würden die Reservierungskosten in Höhe von 60 Euro bei einer Terminabsage nicht erstattet.