Die Altkleidercontainer sind an vielen Stellen im Stadtgebiet übervoll. Foto: Elke Hauptmann

Viele Stuttgarter, die derzeit wegen des Coronavirus zu Hause bleiben müssen, nutzen die Zeit zum Entrümpeln ihrer Schränke. Der Frühjahrsputz hat Folgen: Zahlreiche Altkleidercontainer quellen nun über.

Untertürkheim - Viele Stuttgarter, die derzeit wegen des Coronavirus zu Hause bleiben müssen, nutzen die Zeit offenbar zum Entrümpeln ihrer Schränke. Doch der Frühjahrsputz hat Folgen: Zahlreiche Altkleidercontainer im Stadtgebiet quellen nun über. Die sechs gemeinnützigen Organisationen und Vereine, die im Stadtgebiet rund 200 vom städtischen Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) vermietete Sammelcontainer betreiben, verzeichneten eigenen Angaben zufolge in den letzten zwei Wochen ein deutlich größeres Altkleideraufkommen als es sonst zu dieser Jahreszeit üblich sei. Überall dort, wo die Vermüllung überhand nimmt, will die AWS aufräumen – auf Kosten der Betreiber.

Über die anhaltende Spendenbereitschaft freue man sich zwar, räumt Anton Vaas, Vorstand von Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart, ein. Aber: „Aufgrund der großen Verunsicherung ist der Markt für gebrauchte Kleidung de facto zusammengebrochen. Und wenn wir die eingehenden Spenden nicht mehr sortieren und weiterveräußern können, bekommen wir innerhalb kurzer Zeit ein enormes Lager- und Absatzproblem, was unkalkulierbare finanzielle Risiken für unsere Hilfsorganisation mit sich bringt“, verdeutlicht Vaas den Ernst der Lage.

Keine Verwertung möglich

Auch der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Baden-Württemberg gehört zu den großen Altkleidersammlern in der Landeshauptstadt. Er betreibt 23 Container an 19 Standorten – und ist eigentlich zur Leerung verpflichtet. Doch die Hilfsorganisation hat die Reißleine gezogen: Die Container wurden mit Flatterband abgesperrt, damit niemand mehr etwas hineinwirft. Auf einem Zettel unter der Klappe wird über die Maßnahme informiert: „Leider können wir aufgrund der Corona-Pandemie diesen Container vorübergehend nicht entleeren. Bitte spenden Sie nach Beendigung der Krise.“ Die AWS beobachtet nun, dass rund um die Container bereits eine große Menge nicht mehr verwertbarer Altkleider abgelegt wurde – und kündigt an, diesen Zustand kurzfristig beheben zu wollen. Für die Reinigung werde der ASB zur Kasse gebeten.

Nicht minder überfordert mit der Situation ist der Verein Help-World. Er betreibt 20 Container an 15 Standorten und hat sich bereits hilfesuchend an die Stadt gewandt. Diese aber sieht sich dazu außerstande. Bei den Maltesern ist ebenso wie beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) zu hören, man versuche zwar, die Abholung weiterhin aufrecht zu erhalten. Doch mit der Leerung der Altkleidercontainer komme man kaum noch hinterher und verfüge auch nicht über Lagerkapazitäten.

Nachfrage versiegt

Diese wären jetzt nötig, weil die üblichen Abnehmer derzeit abwinken. Denn sie können die anfallenden Kleidermengen einfach nicht mehr verwerten. Die Branche schlägt Alarm: „Immer mehr Sortieranlagen beantragen aufgrund der Coronakrise Kurzarbeit oder schließen die Betriebe aufgrund von Quarantäne-Maßnahmen komplett“, beschreibt der Vizepräsident des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung, Martin Wittmann, die aktuelle Lage. „Eine Vermarktung von tragbarer Secondhand-Kleidung, aber auch von Produkten im Bereich des Recycling und Putzlappensegmentes, ist aktuell weltweit nicht möglich.“ Die in zahlreichen Ländern angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen würden jede Möglichkeit, Erlöse zu erzielen, verhindern. „Damit versiegt die Nachfrage nach Altkleidern nahezu komplett.“ Wittmann bittet die Bürger eindringlich, keine Sammelware neben die Container zu stellen. Diesem Appell schließt sich auch Anton Vaas an: Alle Kleiderspender sollten ihre gut erhaltenen, gebrauchten Textilien bis auf weiteres nicht zum Kleidercontainer bringen, sondern zuhause aufbewahren. „Bitte haben Sie Verständnis dafür.“

Kein Secondhand-Verkauf

Privatspenden sind auch für die gemeinnützige Neue Arbeit eine wichtige Grundlage ihrer karitativen Arbeit. Obwohl derzeit nichts angenommen werden könne, stapeln sich vor den Kaufhäusern bislang keine Altkleidersäcke oder andere Sachspenden, berichtet Firmensprecher Martin Tertelmann. Das Sozialunternehmen betreibt in Stuttgart und der Region mehrere Häuser, in denen günstige Secondhand-Waren verkauft werden. Dazu gehören unter anderem die Kaufhäuser in Wangen und Bad Cannstatt – und auch diese sind aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen worden. Bis vor kurzem wurden hier noch gebrauchte Güter aufgearbeitet, repariert und an einkommensschwache Menschen günstig abgegeben, derzeit aber können die Waren – in erster Linie Kleidung, Haushaltswaren und Bücher, aber auch Möbelstücke – nicht bearbeitet werden, berichtet Tertelmann.

Die festangestellten Mitarbeiter seien in Kurzarbeit geschickt worden. Betroffen davon seien in Bad Cannstatt sieben Mitarbeiter, aber auch fünf Auszubildende und fünf Personen, die im Rahmen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen beschäftigt waren, müssen daheim bleiben. In Wangen seien nicht nur die fünf Festangestellten und zwei Azubis nach Hause geschickt worden. Ohne Beschäftigung seien darüber hinaus einige Praktikanten sowie 25 sogenannte Ein-Euro-Jobber.

Untätig sei man freilich nicht, sagt Tertelmann. „Wir bereiten uns auf die Wiedereröffnung vor und stellen die saisonalen Waren von Winter auf Sommer um.“ Nach Ostern, ab 14. April, soll zumindest die Spendenannahme im Lager- und Logistikzentrum in Zuffenhausen mit telefonischer Voranmeldung wieder geöffnet werden.