Ganz nah dran am Spielfeldrand: das Trio in Basel. Foto: z)

Daniel Weiss geht mit seinen beiden Söhnen Mats und Jona regelmäßig auf Stadiontour in ganz Europa. Das Trio, das einen eigenen Instagram-Account pflegt, reist zu Champions League-Spielen, aber macht auch in unteren Ligen halt.

Stuttgart-Ost - Jona und Mats, sieben und neun Jahre alt, zählen wohl zu den jüngsten Groundhoppern – so bezeichnen sich Fußballfans, die möglichst viele verschiedene Stadien besuchen wollen – in Deutschland. Die Geschwister haben wohl schon mehr Arenen von innen gesehen als so manch gestandener Profikicker. Unter anderem waren sie schon in der französischen Ligue 1, der belgischen Division 1A und der dänischen Superliga zu Gast.

Stuttgarter Kickers sind Pflichtprogramm

Meist in den Ferien, aber auch mal an Wochenenden geht es quer durch Europa. Immer an ihrer Seite ist Daniel Weiss. Natürlich hat der Familienvater, der Jahre lang die 1. Mannschaft des SV Gablenberg trainierte und mittlerweile die A-Jugend des FSV Waldebene Ost betreut, seine beiden Söhne schon früh zu Spielen mitgenommen. Beispielsweise zu Auftritten der Stuttgarter Kickers, „die Pflichtprogramm sind“, so der 40-Jährige. Richtig Fahrt aufgenommen haben die Stadionbesuche aber erst im Februar 2020. In den Faschingsferien besuchten sie etliche Spiele – unter anderem in Anderlecht, Huddersfield und Blackburn. „Vor allem in Mechelen war in dem kleinen Stadion eine Megastimmung.“ Den Höhepunkt des Trips stellte aber die Europa-League-Partie zwischen Manchester United und Brügge dar. Der 5:0-Heimsieg im Old Trafford mit samt einer Roten Karte hatte alles, was das Fußballerherz begehrt.

Pizza und Bundesliga abgelehnt

Doch ist solch ein Programm nicht zu viel für zwei Grundschüler? „Sie sind Feuer und Flamme“, sagt Weiss, der schon vor mehr als 20 Jahren das Groundhopping für sich entdeckte – und seine Jungs mit dieser Leidenschaft angesteckt hat. „Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm. Als wir auf dem Rückweg von England waren, wollten wir in Valenciennes, einer französischen Kleinstadt, das Spiel gegen Ajaccio anschauen. Weil es kalt war und regnete, habe ich den beiden ein Alternativangebot gemacht.“ Doch der Vorschlag, Pizza zu holen und Bundesliga im Hotelzimmer zu schauen, sei abgelehnt worden. „Mein Jüngster wollte unbedingt ins Stadion.“ Ein weiterer Beweis für das Interesse am gemeinsamen Hobby: Sobald Jona und Mats von ihren Ausflügen zurück in Stuttgart sind, geht es als erstes an die Landkarte in ihrem Zimmer. Es gilt Städte, die besucht wurden, abzuhaken. „Zugleich fiebern sie der nächsten Auswärtsfahrt entgegen.“

57 000 Fans singen die „Marseillaise“

Umso mehr habe die Pandemie die fußballbegeisterte Reisegruppe zurückgeworfen. „Von einem auf den anderen Tag ging nichts mehr. Aber uns war schon damals klar, dass wir auf Tour gehen, sobald es wieder möglich ist.“ Den Auftakt machte Mitte Juni das EM-Gruppenspiel zwischen Italien und Wales im Stadio Olimpico in Rom. „234 Tagen nach dem letzten Livespiel endlich wieder Fußball im Stadion, das war der Hammer.“ Ein weiteres, einmaliges Erlebnis sei auch der 2:0-Heimsieg Frankreichs gegen Finnland in der WM-Qualifikation Anfang September gewesen. „Als rund 57 000 Zuschauer die „Marseillaise“ anstimmten, bekamen wir drei Gänsehaut.“ Auch aus dem Groupama Stadium in Lyon postete Daniel Weiss auf Instagram unter dem Account „groundhopping_with_kids“ ein Gruppenbild – und die vollmundige Ankündigung, dass „diese Saison alles geschaut wird“.

Rote Wurst bei kleinen Klubs besser

Es war der achte Eintrag dieser Art, acht weitere sollten bislang folgen. Unter anderem waren die Drei beim DFB-Pokalspiel von Türkgücü München gegen Union Berlin und beim FC Basel gegen FC Újpest Budapest in der UEFA Europa Conference League, um nur zwei Stationen zu nennen. „Wir wollten nach der langen coronabedingten Pause einfach mitnehmen, was geht. Man wusste ja auch im Sommer nicht, wie lange wir noch Spiele schauen dürfen und wie sich die Pandemie entwickelt.“ Deshalb habe man auch mal bei kleineren Vereinen vorbeigeschaut. Beispielsweise beim SV Au-Wittnau, der den FV Lörrach-Brombach im südbadischen Verbandspokal 2:1 bezwang. „Der Vorteil ist, dass Mats und Jona, die für den SSV Zuffenhausen die Fußballschuhe schnüren, dort auch mal selbst auf dem Platz kicken dürfen. Außerdem ist die Wurst meist besser.“

Siegtreffer von Lukas Nmecha

Zuletzt sind die drei Groundhopper in den Herbstferien auf große Tour gegangen. Zum Auftakt ging es dienstags mit dem Zug nach Wolfsburg – Champions League gegen Salzburg stand an. Als Lukas Nmecha den sehenswerten 2:1-Siegtreffer für die Wölfe erzielte, saßen sie nur wenige Meter hinter dem Tor. Nach einem kurzen Stopp bei den Stuttgarter Kickers, die in der Oberliga den SV Linx mit 7:0 abfertigten, verfolgte das Trio am Wochenende dann die Partien zwischen Winterthur und Lausanne und Grasshoppers Zürich gegen die Young Boys Bern.

Rahmenprogramm muss stimmen

Bei der Planung der Ausflüge legt Daniel Weiss Wert darauf, dass auch das Rahmenprogramm stimmt. „Es geht nicht darum, mein Hobby auszuleben.“ Dementsprechend seien auch Hochrisikospiele wie das Belgrad-Derby tabu. „Ich schaue immer danach, dass wir in den Städten etwas unternehmen können, was den Kindern Spaß macht. Sie sollen nicht nur im Hotel auf die Spiele warten.“ In Zürich habe man zum Beispiel dem interaktiven FIFA-Museum einen Besuch abgestattet.

Tochter kickt schon bei den Bambinis

Nur selten im Stadion mit dabei ist Daniel Weiss’ besser Hälfte Jenny. Dass die drei „Männer“ so viel auf Achse sind, stelle daheim kein Problem dar, lasse den Haussegen nicht schief hängen. „Wir dürfen nach Auswärtsfahrten nur nicht zu spät nach Hause kommen“, sagt der selbstständige Weinhändler. „Außerdem müssen die schulischen Leistungen stimmen. Das passt aber alles. Auf einer längeren Zug- oder Autofahrt wird dann auch mal Mathe gelernt.“ Insgesamt sei seine Frau froh, dass er so viel mit den Jungs macht. Auch die fünfjährige Tochter Romy, die schon bei den Bambinis kickt, komme nicht zu kurz. „Man kann ja auch noch abseits vom Fußball viel unternehmen“, so Weiss. Oder das Ganze kombinieren. „In den Sommerferien wollen wir alle zusammen nach Spanien oder Portugal reisen.“ Seine Frau sei in erster Linie an den Städten Lissabon und Porto interessiert. „Wegen der Winter-WM in Katar starten die Ligen früher, somit ist aber auch sicher der eine oder andere Stadionbesuch drin.“