Bäcker- und Konditormeister Jörg Sailer ist Foto:  

Bäcker-und Konditormeister Jörg Sailer aus Münster ist jetzt Stadtrat und vertritt die Freien Wähler im Gemeinderat. Andere Aufgaben wird der zweifache Familienvater dafür abgeben, etwa den Vorsitz im HGV Münster.

Münster - Am Montag, 25. Januar, ist es soweit: Jörg Sailer wird als Stadtrat eingeführt. „Das findet in kleinem Rahmen statt“, sagt der Neuling im Gemeinderat. Die Sitzung geht in verminderter Stärke über die Bühne. Eigentlich sollte seine Einführung am 4. Februar im Rathaus durchgeführt werden. Doch da ist die Einsetzung von Frank Nopper als Oberbürgermeister vorgesehen. Auf der Tagesordnung wäre seine Einführung vor der des neuen OB gewesen. „Das muss ja nicht sein“, lacht der der 43-Jährige. Natürlich habe er dem Vorschlag zugestimmt, am 25. Januar seinen „Dienst“ als Stadtrat anzutreten. Denn damit sind die Freien Wähler, die vier Sitze im Gemeinderat aufweisen, wieder komplett. Deren langjähriger Fraktionschef Jürgen Zeeb war im Dezember überraschend gestorben.

30123 Stimmen bei der Kommunalwahl

Jörg Sailer landete bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 auf Platz 5, verpasste den Einzug ins Stadtparlament knapp. „Ich war schon überrascht, dass ich so viele Stimmen bekommen habe“, gibt er offen zu. 30 123 waren es genau. Denn kommunalpolitisch war er bis dahin nicht groß in Erscheinung getreten. Über die Familienbäckerei hat er jedoch einen gewissen Bekanntheitsgrad im Stadtbezirk. Seit 2009 sitzt er für die Freien Wähler im Bezirksbeirat Münster. Bis dahin war er politisch nicht aktiv. Gerhard Veyhl, der die Freien Wähler in Bad Cannstatt im Bezirksbeirat vertritt, hatte Sailer gefragt, ob er es sich vorstellen könne. „Daraufhin habe ich mich mit den Freien Wählern befasst.“ Die Wählervereinigung hat ihm zugesagt. „Da geht es um die Sache und nicht ums Parteibuch“, zeigte sich der Bäcker- und Konditormeister angetan. Es werde immer versucht, eine für alle verträgliche Lösung zu finden.

Der zweifache Familienvater hat sich immer über Mitmenschen geärgert, die ständig Kritik übten und ihren Unmut äußerten, dass in der Stadt nichts vorwärtsgehe, aber selbst nichts unternommen haben. „Nicht nur bruddeln, auch was tun“, lautet seine Devise. Das kann er jetzt. Seine Aufgaben liegen im Jugendhilfeausschuss, im Sportausschuss und Schulbeirat, wo er sich mit Schulsanierungen, Essensversorgung und Schulentwicklung beschäftigen muss. Seine beiden Töchter sind zwar noch nicht schulpflichtig, aber über seine beiden Schwestern, mit denen er das Familienunternehmen leitet, bekommt er viel zum Thema Schule mit. „Und meine Frau ist Sozialpädagogin. Da kann ich auch Rat und Info einholen“, setzt er auf Unterstützung.

Sprung ins kalte Wasser

„Ich hoffe, dass ich mich gut in meine neuen Themen einfinde und es nicht gleich zur Bauchlandung wird.“ Denn Jörg Sailer wird ins kalte Wasser geworfen. Die Arbeit im Gemeinderat ist sehr zeitaufwendig. „Ich muss schauen, wie ich alles organisiert bekomme.“ Bei der Vergabe seiner Aufgaben im Stuttgarter Rathaus sei darauf geachtet worden, dass zum einen natürlich seine Themenschwerpunkte berücksichtigt werden, aber auch, wann die Ausschüsse tagen. Vormittags ist er im Familien-Bäckereibetrieb gefragt. Er steht um 2 Uhr auf, hat dafür bereits um 11 Uhr Feierabend.

Sailer weiß, dass er Arbeit und Aufgaben abgeben muss. Den Vorsitz im Handels- und Gewerbeverein Münster etwa. „Irgendwo hört die Zeit auf.“ Allen könne er nicht gerecht werden. Die Vorstandskollegen hat er bereits darüber informiert. In der Bäckerinnung ist er stellvertretender Obermeister. Auch da wird er kürzertreten. Und sein Freund, mit der einen Youngtimerklub leitet, muss dies künftig ohne ihn machen. Denn seine Familie soll nicht unter der Aufgabenfülle leiden. Familie wird bei den Sailers großgeschrieben. „Sie hat einen hohen Stellenwert.“ Von seiner Frau hat er grünes Licht bekommen, den Posten auch anzutreten. „Du bist gewählt, also machst du das auch“, hat sie ihren Ehemann ermutigt. Denn dieser hatte zunächst gezögert.

Die ganze Stadt im Blick

Jetzt geht der Familienvater die Sache voller Elan an – „ich freue mich auf die anspruchsvolle Aufgabe“ – und ist gespannt, was alles auf ihn zukommt. Seinen Blick will und muss er jetzt auf die ganze Stadt richten und nicht nur „sein“ Münster im Auge haben. Der Stadtbezirk sei in den vergangenen Jahren schon gerne mal im Stuttgarter Rathaus „hinten runtergefallen“. Als Betreuungsstadtrat von Münster wird er sich natürlich entsprechend einsetzen. Es ist schon Jahre her, dass der kleinste Stuttgarter Stadtbezirk einen Vertreter im Gemeinderat hatt. Lore Wenzel war bislang die letzte. Sie vertrat die CDU von 2001 bis 2004 im Stadtparlament, war von 1994 bis 2001 im Bezirksbeirat.