Feuchte Tücher sind für das Klärwerk in Mühlhausen ein Problem, weil sie Pumpen verstopfen. Foto: Lichtgut / F/. Iannone

Feuchte Tücher gehören nicht in die Toilette. Auf vielen Verpackungen steht zwar, dass die Tücher spülbar seinen, im Klärwerk sorgen sie jedoch für große Probleme.

Mühlhausen - Vor einem Jahr hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass in Supermärkten erbittert um die letzte Packung Toilettenpapier gestritten wird. Hamsterkäufe und leere Regale waren im Frühjahr Alltag in vielen Supermärkten. Toilettenpapier dominierte wochenlang die Schlagzeilen. Erneut Aufmerksamkeit bekommt das Toilettenpapier am Mittwoch, 26. August, am Tag des Toilettenpapiers. Worüber in diesem Zusammenhang selten gesprochen wird, aber vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klärwerke ein Anliegen ist: die Entsorgung.

Außer trocken auf der Rolle gibt es seit 1958 auch feuchtes Toilettenpapier. Und das macht – wird es über die Toilette entsorgt – vor allem im Klärwerk Schwierigkeiten. „Die technischen Probleme, die durch unsachgemäß über die Toilette entsorgtes feuchtes Toilettenpapier, Feuchttücher und Kosmetiktücher entstehen, sind vielfältig“, sagt Maximiliane Kühl, Betriebsingenieurin für Abwassertechnik im Hauptklärwerk Mühlhausen, das von der Stadtentwässerung Stuttgart (SES) betrieben wird.

Zwar ist auf vielen Verpackungen der Hinweis „spülbar“ oder „biologisch abbaubar“ abgedruckt und legt den Schluss nahe, dass die Entsorgung über die Toilette problemlos möglich wäre, das ist jedoch ein Trugschluss. Denn spülbar heißt nicht, dass die Tücher auch pumpbar sind. Wenn ein Feuchttuch die WC-Schüssel und die Rohre im Haus hinunter gespült wurde, fängt das Problem erst an. Zunächst haben die Pumpen innerhalb der Kanalisation mit den Tüchern zu kämpfen, später bereiten sie den Maschinen im Klärwerk Probleme. Feuchte Tücher – ob Toilettenpapier, Kosmetik- oder Haushaltstücher – haben in der Toilette nichts zu suchen, auch wenn die Hersteller da offenbar anderer Meinung sind. Das hängt mit dem Material zusammen. Die feuchten Tücher bestehen aus einer Mischung aus Viskose, die aus Zellstoff hergestellt wird, sowie Chemiefasern und sind daher besonders reißfest. Und das ist der Knackpunkt: Während trockenes Toilettenpapier innerhalb weniger Minuten in kurze Zellulosefasern zerfällt, lösen sich Feuchttücher erst nach Stunden und dann höchstens in lange Fasern auf. Das führt dazu, dass die Pumpen im Klärwerk durch die Tücher verstopfen und repariert oder ausgetauscht werden müssen. Eine neue Pumpe kann bis zu 100 000 Euro kosten. Auch das Reinigen verursacht zusätzliche Kosten. Durch Betriebsstörungen in Pumpwerken fielen 640 Arbeitsstunden im Jahr 2019 an. „Es kann davon ausgegangen werden, dass bei etwa zwei Dritteln der Betriebsstörungen in Pumpwerken Feuchttücher eine Rolle spielen“, sagt Kühl. Dies entspricht ungefähr 427 Arbeitsstunden. Sie schätzt die Kosten durch Betriebsstörungen der Pumpwerke der SES, an denen Feuchttücher beteiligt waren, auf etwa 34 000 Euro pro Jahr.

Ein weiteres Problem entsteht bei Regenentlastungen aus dem Kanal. Dabei bleiben die Feuchttücher an den Schutzgittern der Ausläufe hängen. Diese müssen dann von Hand gereinigt werden, damit der Auslass beim nächsten Regen wieder nutzbar ist.

Feuchte Tücher sollten daher über den Müll statt über die Kanalisation entsorgt werden. Denn Müllverbrennungsanlagen sind besser auf die Fließtücher eingestellt. Mediziner raten übrigens auch von feuchtem Toilettenpapier ab. Es enthält oft Desinfektionsmittel, Konservierungsstoffe und andere Chemikalien, die die Haut reizen.

Aber nicht nur feuchte Tücher sind ein Problem. Auch Essensreste landen immer mal wieder in der Toilette. Die Folgen: Ratten werden angelockt und unangenehme Gerüche entstehen, wenn Essensreste bei wenig Wasser im Kanal liegen bleiben und dort verrotten. Auch Medikamente sind eine Belastung für das Klärwerk und letztlich für das Wasser und die Umwelt.