Sozialpädagoge Andreas Vögtle und Sozialarbeiterin Désirée Greschbach sind im Stadtteil Freiberg tätig. Foto: Janey Schumacher

Die mobile Kindersozialarbeit wurde in Freiberg entwickelt und richtet sich an 8- bis 13-Jährige.

Freiberg - Ganz aufgeregt stehen drei Mädchen mit Pinseln und Farbeimern vor einer Betonwand im Freiberger Funpark. Die Mauer soll weiß angestrichen und anschließend mit einem Graffiti verziert werden. Die Drei sind zwischen elf und zwölf Jahren alt und treffen sich ein Mal pro Woche mit Sozialarbeiterin Désirée Greschbach von der mobilen Kindersozialarbeit – und diese hat in Freiberg einen besonderen Stellenwert. „Dieses Angebot wurde bei uns im Stadtteil entwickelt“, sagt Greschbach.

Begonnen hat alles 2012. Damals stellte sich folgendes Problem: Immer mehr Kinder kamen zu den Treffs für Jugendliche. Da es wegen des großen Altersunterschieds jedoch schwer war, Grundschüler, Jugendliche und junge Erwachsene gleichzeitig zu betreuen, entstand die Idee zur Kindersozialarbeit, wie Sozialpädagoge Andreas Vögtle sagt. Er hat das Projekt in den ersten Jahren begleitet. Weil die Nachfrage unverändert hoch ist – im vergangenen Jahr haben mehr als 250 Kinder zwischen 8 und 13 Jahren das Angebot wahrgenommen – beschloss der Gemeinderat im Doppelhaushalt 2020/21 die Finanzierung der mobilen Kindersozialarbeit. Zuvor war die Unterstützung immer zeitlich begrenzt, das Ganze wurde teilweise auch durch Spenden finanziert.

In Freiberg gibt es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der mobilen Kindersozialarbeit einiges zu tun. Sie sind zum Beispiel als Streetworker unterwegs. Greschbach, Vögtle sowie ihre Kolleginnen und Kollegen suchen Kontakt zu den Kindern, die sich nachmittags auf der Straße treffen. Zwar falle die Resonanz auf das Angebot positiv aus, allerdings sei auffällig, dass immer mehr Kinder viel Zeit vor der Spielekonsole oder einem anderen Bildschirm verbringen. „Elektronische Unterhaltung verändert den Alltag der Kinder. Bereits Grundschüler haben ein Smartphone“, sagt Vögtle. Deshalb betreffen Themen wie Mobbing in Klassenchats oder Selbstdarstellung in den Sozialen Medien bereits Kinder unter 13 Jahren. Um ihnen den richtigen Umgang mit dem Smartphone beizubringen, arbeitet Vögtle, der auch für die Sozialarbeit an einer Gemeinschaftsschule zuständig ist, häufig mit Medienexperten zusammen.

Ein weiteres Phänomen, das er beobachtet: die zunehmende Gewalt auf Schulhöfen. Um Konflikte zu lösen, vermitteln er und seine Kolleginnen und Kollegen zwischen Schülern, Lehrern und Eltern. Aber auch nach dem Unterricht wird der Kontakt zu den Eltern gesucht – etwa, wenn die Kinder abends nach Hause begleitet werden. „Manche sind offen, andere etwas skeptisch“, sagt Vögtle. Ihm und seiner Kollegin ist wichtig, dass es keine Vorurteile gegenüber der mobilen Kindersozialarbeit gibt. „Wer unser Angebot annimmt, ist nicht automatisch vernachlässigt oder benachteiligt“, sagt Greschbach. Trotzdem sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder mit Armut konfrontiert und versuchen ganz pragmatisch zu helfen. „Wenn ein Kind im Winter nur mit einem T-Shirt bekleidet ist, kaufen wir auch mal eine Jacke “, sagt Vögtle. Zwar gilt Stuttgart als reiche Stadt, dennoch ist Armut, insbesondere Kinderarmut, vielerorts ein Problem. Laut städtischem Sozialdatenatlas sind 20,7 Prozent der Kinder unter sechs Jahren im Stadtbezirk Mühlhausen auf Sozialgeld angewiesen, unter den 6- bis 18-Jährigen sind es 14,9 Prozent.