Ein Wasserträger beim Stuttgarter Weindorf. Die Flaschen sind kein Schnäppchen. Foto: /Thomas Kiehl für das Weindorf

Auf dem Weindorf sind Gäste und Wirte im Glück, weil der tolle Spätsommer gesellige Abende in den Lauben noch schöner macht. Was die Freude trübt, sind die Preise fürs Mineralwasser, das so teuer sei „wie auf den Champs-Élysées“, wie ein Besucher klagt.

Als Michael K. den Preis für seine zwei Flaschen Wasser las – zwölf Euro sollte zusammen ein Liter kosten – suchte er „nach dem goldenen Drehverschluss oder dem handbemalten Etikett“. Kurz überlegte der Laubengast, ob er das Leergut mitnehmen sollte, um damit wenigstens ein bisschen Geld zurückzubekommen. Michael K. ist ein großer Fan des Stuttgarter Weindorfs. Zu den schönsten Festen, findet er, zähle die fröhliche Hocketse zwischen Planie und Rathaus. Doch an einer Stelle schieße man beim Comeback nach der langen Corona-Pause übers Ziel hinaus: Wasser dürfe, gerade wenn es so heiß ist und man daher nicht darauf verzichten könne, nicht zum Luxusgut werden.

„Das ist unanständig und ein echtes Ärgernis“

Michael K. hat deshalb einen Beschwerdebrief an Pro Stuttgart, an die Veranstalter des Weindorfs, geschrieben. „Die Wasserpreise“, klagt er, „sind unanständig und ein echtes Ärgernis.“ Sechs Euro musste er für einen halben Liter Teinacher bezahlen. Laut Google werde diese Flasche im Handel für 70 Cent angeboten. „Das ist ein Aufschlag von rund 750 Prozent“, hat Michael K. ausgerechnet. Damit müsse man in den „gemütlichen Lauben und auf Biertischgarnituren“ von Stuttgart in etwa so viel für Wasser bezahlen wie in den Restaurants auf den Champs-Élysées in Paris. Der Protestschreiber hat trotz seiner Verärgerung den Humor bewahrt: „Man könnte es auch positiv formulieren - der Wein kostet auf dem Weindorf im Schnitt nur gut doppelt soviel wie Wasser.“

Unsere Recherche ergibt: Flaschen kosten zwischen 3,50 und sechs Euro

Michael K. ist bei seinem Besuch wohl in die teuerste Laube des Weindorfs geraten. Die Halbliterflaschen mit Mineralwasser – überall sind sie exklusiv von Teinacher, dem Sponsor – kosten, obwohl beim selben Fest serviert und vom selben Hersteller aus dem Schwarzwald angeliefert, ganz unterschiedlich. Unsere Zeitung hat sich umgesehen. Die Recherche ergibt: Für das genau gleiche Produkt wird auf dem Markt- und Schillerplatz sowie unterhalb der Stiftskirche zwischen 3,50 und sechs Euro verlangt.

Weindorf-Chefin Bärbel Mohrmann ist nicht glücklich, dass einige Wirte besonders viel verlangen, während andere bereit sind, mit 3,50 oder vier Euro für den halben Liter zu kalkulieren. „Als Veranstalter haben wir keinen Einfluss auf die Preisgestaltung der Wirte - wir können und dürfen hier wegen des Kartellrechts nur Empfehlungen aussprechen“, sagt sie. Man habe die Wirte gebeten, moderate Preise zu verlangen. „Wir sind hierzu mit den Wirten im Gespräch“, versichert sie. Mit anderen Worten: Die Chefin nimmt sich jene Wirte „zur Brust“, deren Wasser sechs Euro kostet. Die Preisgestaltung habe „auch nichts“ mit dem exklusiven und einzigen Wasserlieferanten Teinacher zu tun, sagt Bärbel Mohrmann: „Hier haben - meines Wissens - alle Wirte dieselben Konditionen.“

Selbst Bedienungen der Wirte dürfen nicht auf günstigere Marke umsteigen

Andere Mineralwasserhersteller, die billiger wären, sind auf dem Weindorf nicht zugelassen, weil Teinacher Sponsor der Veranstaltung ist. Was sagt das Kartellamt dazu, dass die Konkurrenz von Teinacher nicht zum Zug kommt? Selbst die Bedienungen der Wirte trinken das teurere Wasser und dürfen nicht auf günstigere Marken umsteigen.

In vielen Bereichen der Gastronomie steigen die Preise, was auf „explodierende Kosten“ zurückzuführen ist. In besseren Lokalen zahlt man inzwischen sechs Euro oder mehr für das Mineralwasser. Da auch die Standgebühren, die Personalkosten und vieles mehr für die Weindorfwirte keine Schnäppchen sind, müssen sie sehen, wie sie die hohen Unkosten decken. Immerhin stehen ihnen dieses Jahr 19 statt zehn Tage zur Verfügung.

Es ist ein schmaler Grat für die Wirte zwischen der Verärgerung der Gäste durch hohe Preise und dem Zwang, die steigenden Kosten in allen Bereichen auffangen zu müssen. Der verärgerte Weindorf-Gast Michael K. gibt zu, dass ihn Gedanken umtreiben, „Dich“, das „liebe Weindorf“, zu betrügen und eine Flasche Sprudel im Rucksack mitzunehmen. Aber das, räumt er ein, „wäre unanständig“.