Von Juni an wird mit dem 9-Euro-Monatsticket ein Ansturm auf Busse und Bahnen erwartet. Wegen Corona ist dort heute noch Platz.
Vom 1. Juni an sollen Fahrgäste in Bus und Bahn bundesweit für neun Euro im Monat den Nahverkehr nutzen können. Der bis zum 31. August gültige Dumpingpreis soll dem durch die Coronapandemie gebeutelten Nahverkehr möglichst auf Dauer neue Fahrgäste zuspielen, auch eine Klimawirkung wird ihm zugeschrieben. Unklar ist, ob die Kapazitäten während des Aktionszeitraums ausreichen.
Wie weit ist der Bund mit dem 9-Euro-Ticket?
Am Mittwoch haben das Kabinett das Entlastungspaket und der Verkehrsausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung zu der Fahrpreis-Aktionfür den 11. Mai beschlossen. Dann kommen zum Beispiel Verbände zu Wort. Der Verband der Verkehrsunternehmen, VDV, hatte am Vortag seine Forderungen kundgetan: Neben den 2,5 Milliarden Euro für das Sonderticket und 1,2 Milliarden aus dem Corona-Rettungsschirm werden 1,5 Milliarden zum Ausgleich der exorbitant gestiegenen Energiekosten erwartet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat die letzte Summe bisher nicht zugesagt. Für den Zuschuss muss das Regionalisierungsgesetz geändert werden, mit dem der Bund den Ländern Mittel für den ÖPNV zuweist.
Was sagen Parlamentarier?
Matthias Gastel, Grünen-Abgeordneter aus dem Wahlkreis Nürtingen, setzt sich seit Jahrzehnten für den öffentlichen Verkehr und die Schiene ein. „Die Tickets müssen Ende Mai verfügbar sein, der Zeitdruck ist jetzt immens“, der Ablauf sei „nicht befriedigend“, sagt Gastel. Mit dem Günstigticket schaffe man ein Äquivalent zur Energiesteuersenkung. Die bedeutet 29,55 Cent Ersparnis pro Liter Benzin und 14,04 Cent beim Diesel. „Das sollte keine Einladung zum Autofahren sein“, so Gastel.
Reichen die Kapazitäten?
„Wir wissen nicht, wie sich die neun Euro auswirken“, so Gastel. Er habe nach zusätzlichen Kapazitäten bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) und der Deutschen Bahn gefragt. Nicht nur im Berufsverkehr, auch zu touristischen Zielen könne die Nachfrage stark zunehmen.
Was sagen die Verkehrsbetriebe?
Bei der S-Bahn Stuttgart heißt es, alle verfügbaren Züge würden eingesetzt. Allerdings verweist ein Sprecher auf diverse, lange vorbereitete Baustellen im Aktionszeitraum. Eine große führt zur Sperrung der Stammstrecke in Stuttgart, womit der Grundtakt auf der S-Bahn sich vom 30. Juli bis zum 11. September auf 30 Minuten längt. „Wir haben dann nur das halbe Angebot“, so der Sprecher. Im August registriert die S-Bahn allerdings traditionell ein „Urlaubsloch“.
Werden mehr Fahrzeuge beschafft?
Der für die S-Bahn zuständige Verband Region Stuttgart (VRS) erwartet einen „riesen Schub für den ÖPNV“, sagt Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler. Die Reaktionsmöglichkeiten seien begrenzt, man könne den Fahrplan nicht kurzfristig verändern, aber bei Veranstaltungen Züge verlängern. Ab September erhalte man sukzessive 58 neue S-Bahnen, dann würde in der Hauptverkehrszeit die maximale Zuglänge gefahren. Durch Corona habe die S-Bahn aber „noch Luft, wir hatten im Vergleich zum Rekordjahr 2019 im Jahr 2021 nur 52 Prozent der Fahrgäste“, so Wurmthalter. Die SSB halte „keine personellen, betrieblichen oder technischen Reserven bereit, die über einen Zeitraum von mehreren Wochen einsetzbar wären und kann derartige zusätzliche Kapazitäten auch nicht kurzfristig aufbauen“, sagt eine Sprecherin des städtischen Nahverkehrsbetriebs. Der kämpft mit Verlusten im zweistelligen Millionenbereich.
Ist das Sonderticket schon erhältlich?
Noch nicht, ab Ende Mai soll es gekauft werden können, per App oder als Papierausdruck, auf dem der Nutzer eingetragen werden muss, denn die Fahrkarte ist nicht übertragbar; auch Kinder über sechs Jahre benötigen im VVS eine. Wer bereits ein Jahres- oder Monatsticket hat, dem soll die Differenz entweder zurückerstattet oder erst gar nicht abgebucht werden.