Von Ende Februar bis November waren die Ehrenamtlichen der Cannstatter Bereitschaft 4 des DRK-Kreisverbandes 6400 Stunden im Einsatz. Foto: /DRK Bad Cannstatt

Das Jahr 2020 stellte viele Menschen vor besondere Herausforderungen. Auch die Bereitschaft des Deutschen Roten Kreuzes in Bad Cannstatt. 6400 Einsatzstunden waren es allein von März bis November, die von den ehrenamtlichen Helfern geleistet worden sind. Hinter dieser Zahl stecken viele Geschichten.

Bad Cannstatt - Alexander Jahn hat eine Zahl notiert: 6400. Hinter dieser Zahl verbergen sich all jene Einsatzstunden, die rund 50 aktive Mitglieder der Cannstatter Bereitschaft 4 des DRK-Kreisverbandes Stuttgarts im Zuge der Corona-Pandemie von Ende Februar bis Ende November dieses Jahres geleistet haben. Ehrenamtlich. In den unterschiedlichsten Funktionen, an den unterschiedlichsten Orten. Sie unterstützten Behörden bei der Bekämpfung des Virus, packten mit an und mobilisierten Hilfe. Und sie tun dies nach wie vor. „Die Pandemie ist eine Situation, in der keiner von uns zuvor war“, betont Jahn, der für die Organisation der Einsätze zuständig ist. „Die letzten Monate haben aber gezeigt, wie team- und leistungsfähig wir als Gemeinschaft sind.“

Es ist eine dringliche Bitte, mit der Vertreter der Landeshauptstadt am 27. Februar an die Helfer des Deutschen Roten Kreuzes herantreten: Im Katharienhospital gilt es, eine Fieberambulanz zu errichten. Aber nicht nur logistisch wird Unterstützung benötigt. Die Unsicherheit in der Bevölkerung ist groß, vieles ist unklar. Bei welchen Symptomen muss man zum Arzt? Und zu welchem am besten? Wie schütze ich andere, wie schütze ich mich selbst? In Zusammenarbeit mit der Klinikverwaltung richten die DRK-Einsatzkräfte eine Rufnummer ein, unter der sich Bürger mit ihren Fragen melden können. Später werden die ehrenamtlichen Helfer der Cannstatter Bereitschaft im Auftrag des Gesundheitsamts bis zu zehn Stunden am Tag eine entsprechende Rufnummer betreuen, um dessen Mitarbeiter zu entlasten. Die Fragen der Anrufer? „Am Anfang mussten die Helfer häufig Auskunft zu den Masken und deren Schutz geben“, gibt Jahn den Inhalt der Telefonate wieder. In den Wochen danach werden die Fragen präziser, die Gespräche persönlicher. „Manche hatten beispielsweise Angst davor, sich wegen einer möglichen Ansteckung ins Krankenhaus zu begeben.“

Die Zahl der Infizierten in Stuttgart steigt im Frühjahr. Um eine Infektion mit dem Coronavirus festzustellen, werden zusätzlich mobile Abstrich-Dienste eingeführt. Auf der Basis von Anrufen aus Arztpraxen, vom Gesundheitsamt oder anderen Institutionen wird in einer Leitzentrale über die Dringlichkeit entschieden und ein Plan erstellt. „Im Zeitraum von März bis Ende Juli haben die Helfer 7124 Personen abgestrichen“, so Jahn. 140 Pflege- und Wohnheime werden von ihnen besucht.

Die Ärztin Verena Werling ist von Mitte März bis Mitte Juni mit einem ehrenamtlichen DRK-Sanitäter im Stuttgarter Stadtgebiet unterwegs. Zunächst sind es vor allem Privathaushalte, zu denen beide geschickt werden. „Junge Leute, viele Skifahrer, waren darunter“, sagt sie. In Schutzkleidung klingeln sie an der Tür, erkundigen sich, wie es den Menschen geht, entnehmen den Abstrich und beantworten Fragen – so gut, wie sie das zu diesem Zeitpunkt eben können. Die erhoffte Gewissheit kann die Medizinerin den Betroffenen nicht geben: Die Teströhrchen werden später in einem Labor untersucht. Die Ergebnisse erfährt Werling nicht.

Immer häufiger werden nun Alten- und Pflegeheime angefahren, um deren Mitarbeiter und Bewohner zu untersuchen. Die Herausforderung dabei? „Man muss sich auf sein Gegenüber einstellen.“ Bei einem dementen Bewohner, der die aktuelle Situation nicht versteht, einen Abstrich zu machen, sei beispielsweise sehr schwierig. Auch mehrere Hundert Arbeiter einer Baustelle werden von Verena Werling auf das Virus getestet.

Im Reitstadion am Wasen wird von den Helfern des Stuttgarters DRK-Kreisverbands eine weitere Anlaufstelle in Betrieb genommen, um Abstriche vornehmen zu können. In Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg richtet die Cannstatter Bereitschaft die notwendige IT ein, unterstützt den Arbeitsablauf mit Personal, Zelten und technischen Gerätschaften. „Die Abstrichstelle wurde über mehrere Wochen betrieben, bis durch Stuttgarter Ärzte ein geeignetes Gebäude gefunden wurde und dort eine wettergeschützte Station errichtet werden konnte“, sagt Alexander Jahn.

Die Anfragen reißen nicht ab: In den Schutzunterkünften, in denen Corona-Infizierte betreut werden, die sich nicht in den eigenen vier Wänden auskurieren können, sind die DRK-Helfer seit Monaten ebenfalls vor Ort und helfen bei der Betreuung sowie Versorgung mit Nahrungsmitteln oder Medikamenten. Eine Studie zu den Spätfolgen von Covid-19 wird mit Fahrzeugen und Einsatzkräften unterstützt, die die Ärzte zu genesenen Patienten transportieren. In die Planung, Organisation und den Aufbau der Impfzentren sind die Mitglieder der Cannstatter Bereitschaft aktuell ebenfalls miteingebunden. Die Herausforderungen für die Helfer bleiben – und die Zahl ihrer Stunden wird weiter wachsen. Auch im neuen Jahr.

Die DRK Bereitschaft Bad Cannstatt existiert seit 1909 und zählt derzeit rund 120 aktive Mitglieder. Bis zum Beginn der Pandemie betrafen die Einsätze primär Veranstaltungen im Neckarpark. Weitere Infos gibt es unter www.drk-cannstatt.de.