Wie sich der germanische Krieger unter der König-Karls-Brücke, dessen Spitzname „Asterix“ lautet, in über drei Jahren verändert hat, hat der Kunsthistoriker Christian von Holst dokumentiert. Foto: /Christian von Holst

Mal ist sein Gesicht knallbunt, mal sieht er aus wie ein Gespenst: Der Krieger, der bis zur Sprengung 1945 die König-Karls-Brücke in Cannstatt schmückte, wird besprüht und beschmiert. Ein Fall für den Denkmalschutz? Sollte „Asterix“, so sein Spitzname, umziehen?

Der Kunsthistoriker Christian von Holst, der von 1994 bis 2006 Direktor der Staatsgalerie Stuttgart war, radelt mit seiner Frau oft am Neckar entlang und verfolgt die wundersamen Veränderungen eines alten Bekannten. Die Sandsteinfigur, die einen germanischen Krieger darstellt und wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Comic-Helden „Asterix“ genannt wird, ist weit über hundert Jahre alt – an ihr toben sich regelmäßig junge Menschen mit Sprühdose an der König-Karls-Brücke in Bad Cannstatt aus. „Die Skulptur wird damit tief geschädigt“, klagt von Holst. Wenige Schritte weiter befindet sich die legale Hall of Fame der Graffiti-Sprayer. Kein Wunder, dass davon der Kämpfer betroffen ist, dessen Bemalung verboten ist.

In den sozialen Medien dokumentiert von Holst die Veränderungen

Ist das Kunst oder kann das weg? Werden illegale Graffiti oft als Form des Vandalismus betrachtet, sind die bunten Sprühaktionen aber zunehmend auch als Form der Kunst anerkannt. Christian von Holst, ein Experte in Sachen Kunst, denkt bei der regelmäßig neu besprühten Brückenskulptur in erster Linie an dessen Bedeutung als Kulturdenkmal. Womöglich wissen viele, die den Krieger in neuen Farben erstrahlen lassen, gar nicht, was es mit dieser imposanten Figur auf sich hat, die mit Sockel auf fünf Meter kommt.

Der frühere Staatsgalerie-Chef fotografiert seit über drei Jahren bei seinen Radfahrten regelmäßig den sich wandelnden Germanen. Bei Instagram und Facebook hat der 81-Jährige Reels gepostet, die das Schicksal von „Asterix“ dokumentieren. Für die Rettung dieses Denkmal setzt er sich ein, das rasch an einen sicheren Ort umziehen müsse. Mindestens neunmal ist die 1901 geschaffene Skulptur übersprüht worden, beweisen seine Fotos.

„Auch für Stein bedeutet dies eine tiefgründige Schädigung“

„In der Wirkung auf die Oberfläche des Steins lässt es sich mit dem mehrfachen Überstechen einer Tätowierung vergleichen, dem riskanten Cover Up Tattoo“, sagt Christian von Holst, „für Stein und Haut bedeutet sich jeweils eine tiefgründige Schädigung.“ Die Stadt, die für diese Skulptur verantwortlich ist, müsse endlich handeln, findet er. Der Kunsthistoriker versteht nicht, „wie man sehenden Auges es zulassen kann, dass ein Werk wie der Germane malträtiert wird und allmählich verkommt.“ Sein Vorschlag: Bis ein neuer Standort etwa zur Aufwertung des Neckarufers gefunden ist, sollte die Figur ins Lapidarium gebracht werden.

Der Germane hat schon einige Umzüge hinter sich. Einst schmückte die Skulptur die König-Karls-Brücke, die schon bei ihrer Einweihung 1893 als Meisterwerk der Ingenieurbaukunst galt. Geschaffen hat sie der Bildhauer Adolf Fremd (nach dem auf dem Killesberg ein Weg benannt ist). Vor den vier Brückenpylonen sollten mächtige Figuren stehen, als Symbole für Landwirtschaft, Gewerbe, Handel und Macht (Wehrstand, wie man damals sagte).

Die Nazis sprengten 1945 die Brücke, um die Alliierten aufzuhalten

Allerdings fehlte dafür das Geld. Der Bildhauer konnte nur die Sparvariante herstellen: Auf einem Gestell aus Holz und Leinwand trug er eine dünne Gipsschicht auf, die der Witterung aber nicht standhielt. Die „Schwäbische Chronik“ machte sich 1896 darüber lustig: „Für die vier in abgerissenen Gewändern bei Sturm und Wetter, Tag und Nacht an der Brücke sitzenden Gestalten wird um abgetragene Kleider und Schuhwerk gebeten.“ Schließlich finanzierten Kaufleute die Skulpturen. Bis 1901 war das Quartett fertig, gehauen aus Marmor und Kalkstein. Die deutschen Truppen zerstörten im April 1945 die Brücke. Mit der Sprengung wollten sie die alliierten Truppen aufhalten.

Von den vier Skulpturen sind zwei zerstört worden, wie alte Fotos belegen. Die anderen beiden wurden in einem Steinbruch in Münster eingelagert. In den 1970ern kehrten sie in die Nähe der heutigen König-Karls-Brücke zurück, die bereits das dritte Viadukt mit diesem Namen ist. Die Figur Handel steht nun an der Stadtbahnhaltestelle Mineralbäder – der germanische Krieger, der für Macht steht, muss erkennen, wie begrenzt seine Macht ist: Den Graffiti-Sprayern ist er an diesem Ort ausgeliefert.

Die Reinigung von „Asterix“ würde sehr kompliziert werden, sagen Experten. Um den Stein zu erhalten, müsse man die Skulptur mit Niederdruck zeitaufwendig und sehr sorgfältig säubern – da müssten Spezialfirmen ran. Auch Patrick Mikolaj vom Blog „Unnützes Stuttgartwissen“ setzt sich für den Umzug der Statue ein. Für die Graffiti-Künstler, schlägt er vor, könne man „irgendwelche Rohlinge“ in der Art von Schaufensterpuppen aufstellen.

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