Die Untere Königstraße mit dem Marstall-Areal in den 1930ern. Foto: Sammlung Wibke Wieczorek

Der Eingang zur unteren Königstraße soll schöner werden. Die Pläne dafür hat jetzt die Immobiliengesellschaft der LBBW bekannt gegeben. Wir blicken zurück auf die Historie des Marstalls. In der heutigen 1 a- Lage sah’s nicht immer prachtvoll aus.

Stuttgart - Dort, wo sich heute Läden befinden, wieherten einst Pferde. Unweit vom Hauptbahnhof soll die Königstraße aufgewertet werden. Gebäudebesitzerin ist die Landesbank Baden-Württemberg, deren Immobiliengesellschaft vor zwei Jahren noch die Häuser Königstraße 1–3 zwischen Schillerstraße und Pusteblumenbrunnen nebst dem Hotel am Schlossgarten komplett abreißen wollten. Doch neuerdings denken die Eigentümer daran, den Gebäudekomplex zu „revitalisieren“. Ein Teil des Marstall-Areals soll umgebaut, ein Teil abgerissen werden. Unter anderem soll „ein junges, modernes, hochwertiges Hotel“ entstehen.

Der Marstall war 300 Meter lang und nahm etwa 400 Pferde auf

Das Wort Marstall hat einen althochdeutschen Ursprung. Es setzt sich zusammen aus Marah oder Mähre (Pferd) und dem Stall. Der Marstall war mal die Bezeichnung für den Pferdestall eines Fürsten, Herzogs oder Königs, als es diese führenden „Berufe“ in Deutschland noch gab. Im Jahr 1803 hat Friedrich I. – da war der spätere König von Württemberg (seit 1806) noch Kurfürst – beschlossen, den Marstall von der Solitude näher an sein Hauptschloss umzusiedeln. Seine Pferde wollte er unweit seines Wohnsitzes haben – nicht unpassend für eine Stadt, die auf den Stutengarten zurückgeht, auf die Pferdezucht in der sumpfigen Talaue.

Friedrich I. ließ an der Stelle des ehemaligen Siechenhauses einen Steinbau errichten. Der Marstall war 300 Meter lang und nahm etwa 400 Pferde auf. Was wir heute als Fußgängerzone kennen, war damals die Pferdezone der Residenzstadt.

Die Königstraße trägt ihren Namen seit 1811

1810 ließ der Herrscher – nunmehr König – von seinem Hofbaumeister Nikolaus Friedrich von Thouret ein Königstor unweit seines Marstalls errichten, als Abschluss der unteren Königstraße, die seit 1811 diesen Namen trägt. Der Torbogen wurde 1922 abgerissen, weil man ihn als Verkehrshindernis sah, unweit des neu eröffneten Hauptbahnhofs. Nach und nach hatten die Pferde des Königs weichen müssen – und 1918 schließlich der letzte König von Württemberg auch. Von 1922 bis 1924 wurde der Marstall für Ladengeschäfte und ein Hotel umgebaut. Im Innenhof entstanden die Palast-Lichtspiele mit fast 1200 Sitzplätzen.

August Daub, ein in vielen Städten tätiger Filmpionier, hatte das große Kino 1923 im einstigen Pferdestall mit Stummfilmen eröffnet. Rainer Müller schreibt im Facebook-Forum unseres Stuttgart-Albums: „Vor der Bühne lieferte ein Drei-Mann-Orchester die musikalische Untermalung, wie mir meine Mutter erzählte, die anfangs der 1930er als junges Mädchen in den Palast-Lichtspielen zeitweise als Platzanweiserin arbeitete.“

1960 baute Hertie ein Kaufhaus im einstigen Pferdehof

Für die Neugestaltung des Marstall-Geländes wurden nach den Kriegszerstörungen die Palast-Lichtspiele verdrängt. Sie zogen um in den Metropol-Palast an der Bolzstraße, um dort – wie schon die 35 Jahre zuvor — die führende Rolle im Filmleben Stuttgarts zu übernehmen. Einstöckige Provisorien für den Handel entstanden nach dem Krieg. 1960 baute schließlich Hertie auf dem einstigen Pferdehofgelände sein Kaufhaus. Jetzt steht eine weitere Umgestaltung in der langen Geschichte des etwa 19 000 Quadratmeter umfassenden Marstall-Areals bevor. Der Rückhalt dafür beim Gemeinderat ist groß.

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