Der neue Stuttgarter Tiefbahnhof wird acht Gleise haben, sein Ideengeber Gerhard Heimerl hatte sich zehn gewünscht. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bis 2030 sollen in Deutschland doppelt so viele Menschen wie heute mit der Bahn fahren. Auf den neuen Tiefbahnhof kämen damit viele Doppelbelegungen, also zwei Züge auf einem Gleis, zu.

Stuttgart - Auf den acht Gleisen des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs werden sich fünf Jahre nach seiner Eröffnung die Züge drängen. Täglich bis zu 180 Doppelbelegungen, also zwei Züge auf einem Gleis, soll es dann geben. Das teilt die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag mit. Die „langen Bahnsteige“ würden damit „für den Nah- und Regionalverkehr optimal genutzt“, heißt es in der zwölfseitigen Antwort. Besonders lang sind die Bahnsteige im Tiefbahnhof allerdings nicht, sie sind auf den Fernverkehr mit seinen ICE abgestimmt.

Für 2030 planen Bahn AG und Bundesregierung den so genannten Deutschlandtakt. Dabei sollen zu festen Zeiten – zur vollen oder halben Stunde – möglichst viele Umstiegsmöglichkeiten in großen Bahnhöfen, den so genannten Knoten, geschaffen werden. Regierung und Schienenkonzern streben bis dahin außerdem eine Verdoppelung der Fahrgastzahl an. Um die auch wegen des Klimawandels gewünschten Nachfrage bedienen zu können will das Land im Nah- und Regionalverkehr bis zu 220 neue Doppelstockzüge einsetzen.

Der neue Hauptbahnhof in Stuttgart ist bei der Projektion 2030 offenbar nicht als Taktknoten in der definierten Weise eingeplant. Aufgrund der Vielzahl an verkehrenden Linien sei Stuttgart „ein Knoten, in dem Richtungsanschlüsse fortlaufend hergestellt werden“, so die Regierung. Die Haltezeiten der Züge im Durchgangsbahnhof sollen sich „zwischen 2 und 12 Minuten“ bewegen. Standzeiten von zwei Minuten hält Matthias Gastel (Nürtingen), der bahnpolitische Sprecher der Grünen, für „völlig unrealistisch“ um Anschlüsse zu erreichen. Bis zu 180 Doppelbelegungen sprächen dafür, dass die Kapazität des Tiefbahnhofs zu gering bemessen und er „extrem anfällig sein wird für Verspätungen“.

Die Grünen fragten auch nach der Zukunft der Gäu- und S-Bahn. Für die Gäubahn werden mit dem Deutschlandtakt Streckenausbauten im Neckartal für etwa 500 Millionen Euro und ein etwa zwölf Kilometer langer Tunnel von Rohr zum Flughafen Stuttgart vorgeschlagen. Sie sollen die Reisezeit nach Singen gegenüber heute um elf Minuten kürzen. Ob diese neue Infrastruktur volkswirtschaftlich sinnvoll ist müssen Berechnungen zeigen, nur dann zahlt der Bund sie. Nach Auskunft der Bahn AG würde sich die Reisezeit ohne Ausbau, aber mit dem Einsatz von Neigetechnikzügen je nach Fahrtrichtung ähnlich stark, nämlich um neun (Singen-Stuttgart) und zwölf Minuten (Stuttgart-Singen) reduzieren. Durch den neuen Tunnel zum Flughafen würde sich ein dort beim Projekt Stuttgart 21 vorgesehenes Zusatzgleis neben der S-Bahn-Station erübrigen, die Gäubahnzüge führen in den Flughafen-Fernbahnhof. Ein Engpass ergebe sich dort dadurch nicht. An diesem Bahnhof sollen nur ausgewählte Fernzüge. Drei Linien aus Hamburg und Berlin zum Beispiel, die in Nürtingen enden sollen, werden nicht über den Flughafen geführt, weil sonst Anschlüsse „an anderer Stelle“ aufgegeben werden müssten. Dass Fernzüge leer nach Nürtingen gefahren würden zeige, „wie wenig flexibel die neuen Bahnanlagen in Stuttgart sind“, sagt Gastel.

Knapp äußert sich die Bundesregierung zu Plänen, wie die S-Bahn in Stuttgart bei künftigen Störfällen fahren soll. Mit S 21 verliert sie ihre heutige oberirdische Umleitung über den Kopfbahnhof und die Panoramastrecke nach Vaihingen. Ein „abschließend bewertetes Störfallkonzept liegt noch nicht vor“, heißt es. 1500 S-Bahnzüge hätten 2019 den Kopfbahnhof angesteuert, 2020 seien es bis Ende Juli 713 gewesen. „Ein Notfallkonzept ist mit der geplanten Infrastruktur schlicht nicht möglich“, bilanziert Matthias Gastel. Er spricht von einem absehbaren „Genickbruch für die S-Bahn“. Stuttgart, so der Abgeordnete, benötige „dringend weitere Bahnsteiggleise in Form einer Ergänzungsstation“.