Die DB AG will die Panoramastrecke der Gäubahn in Stuttgart nach 2025 nicht weiter betreiben. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die ökosoziale Mehrheit im Gemeinderat spricht über den Betrieb der Gäubahn zum Stuttgarter Kopfbahnhof nach 2025. Die Stadtspitze mit OB Frank Nopper (CDU) warnt davor.

In der Landeshauptstadt könnten aus Sicht des ökosozialen Lagers nach der Inbetriebnahme des Bahnprojekts Stuttgart 21 für einige Zeit zwei Gleise zum Kopfbahnhof weiter betrieben werden. Sie sollen nach 2025 Nah- und Fernverkehrszüge der Gäubahn aufnehmen, bis diese über den neuen Pfaffensteigtunnel von Böblingen zum Flughafen Anschluss an das S-21-System bekommt – was Jahre dauert.

Die SPD im Gemeinderat denkt an einen umfassenden externen Prüfauftrag für einen Interimshalt, der die Gleise 1 und 2 im Kopfbahnhof nutzt, so Stadtrat Michael Jantzer. Eine ökosoziale Mehrheit aus Grünen, SPD, Linksbündnis und Puls ließe sich dazu vielleicht zimmern, CDU, Freie Wähler, FDP und AfD lehnten dies am Dienstag im S-21-Ausschuss ab. Sie sei „unnötig wie ein Kropf, Eisenbahnromantik“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz.

Beschlusslage ist, dass die Gäubahn zu einem noch zu bauenden Nordhalt und später nach Feuerbach geführt wird. Dazu müsste die Strecke wohl mit ETCS, der neuesten Leit- uns Sicherungstechnik, versehen werden, denn 2025 fallen alle Anschlüsse an die bisherige Signalsteuerung weg.

DB: Vaihingen wird zum Endhalt

Die Deutsche Bahn AG hat andere Pläne. Sie will die Strecke Mitte 2025 dauerhaft vom Netz nehmen, der Nordhalt interessiert sie nicht. Endhalt wäre Stuttgart-Vaihingen, dort sollen Reisende zum Hauptbahnhof auf S- und Stadtbahnen umsteigen. Dagegen regt sich massiver Widerstand von Gäubahn-Anrainerkommunen sowie von Umwelt- und Verkehrsverbänden. Die Bahn sei in der Betriebspflicht oder müsse einen Stilllegungsantrag beim Eisenbahn-Bundesamt (Eba) stellen. Dann könnten andere Streckenbetreiber einsteigen.

OB Frank Nopper (CDU), flankiert von Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und OB-Referentin Andrea Klett-Eininger, sprach sich am Dienstag im S-21-Ausschuss des Gemeinderates vehement gegen den auch nur temporären Erhalt oberirdischer Gleise aus. Klett-Eininger sieht darin einen Türöffner für einen Kombibahnhof (den die SPD ablehnt), Pätzold den geplanten Wohnungsbau massiv tangiert. „Dazu brauche ich keine Untersuchung, egal, wo zwei Gleise liegen blieben“, sagte der Baubürgermeister.

Nopper will das Thema auf einem Gäubahn-Gipfel besprechen, zu dem er für den 14. Juli ins Rathaus einlade. Das verwunderte FDP-Rat Armin Serwani (FDP), denn ein Treffen dieser Art ist seit vergangener Woche für den 19. Juli in Böblingen avisiert, und zwar von Bundesverkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP). Serwani sagte zu dieser möglichen Doppelung: „Zwei Termine brauchen wir ja wohl nicht.“

Stadt folgt eigenem Gutachten nicht

In einem von der Stadt beauftragten Gutachten hatte die Berliner Kanzlei WMRC bereits vor 19 Monaten festgestellt, dass die DB für die Panoramastrecke ein Stilllegungsverfahren beantragen müsse. Dem folgt Klett-Einiger nicht. Die bisherigen Orte blieben ja erreichbar. Sie sieht damit Kriterien eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts aus einem früheren S-21-Verfahren erfüllt. Das Gericht lehnte ein Stilllegungsverfahren ab. WMRC war dieses Urteil bekannt. Wenn „jemand anders die Strecke übernimmt, besteht die Gefahr, dass ein Dritter den Bahnbetrieb dort dauerhaft belässt“, so Klett-Eininger. Das sei ein Risiko für die Stadt. Die Referentin empfiehlt die von Michael Theurer vorgeschlagene Lösung, nämlich die Gäubahn-Führung ab Horb über Tübingen. Dazu „müsste lediglich diese Strecke elektrifiziert werden“, sagte sie.

Das WMRC-Gutachten war den Bürgervertretern bis vorige Woche vorenthalten worden. Ein Umstand, den Christoph Ozasek (Puls) scharf kritisierte. Die Verwaltung sitze auf „Herrschaftswissen“. Nun sei klar, warum. „Sie haben den Städtebau gegen die Panoramabahn abgewogen“, so Ozasek. Die DB AG lasse die Strecke „runterkommen“, die Stadt nehme dazu keine Haltung ein und wolle am 18. Juli mit den S-21-Partnern den Finanzierungsvertrag zugunsten des Pfaffensteigtunnels ändern. „Wir brauchen eine Rettungsmission für die Panoramabahn. An die Vertragsänderung muss ihr Erhalt geknüpft werden“, fordert Ozasek. Der Wohnungsbau auf dem alten Gleisgelände werde erst in den 30er-Jahren stattfinden, so Michael Jantzer, Gäubahnkunden hätten ein „berechtigtes Interesse“, Stuttgart direkt zu erreichen, eine Prüfung für zwei Gleise sei daher richtig.

Strecke für S-Bahn wichtig

Der Weiterbetrieb der Panoramastrecke sei auch für die S-Bahn wichtig, der sie als Ausweichstrecke dient, sagte Petra Rühle für die Grünen. Die Deutsche Bahn müsse die Strecke instandhalten und sanieren, der Weg über Tübingen sei keine Lösung. Die Gäubahn zum Kopfbahnhof schaffe leistungsfähigen Bahnverkehr statt eines zu kleinen S-21-Halts, sagte Hannes Rockenbauch (Linksbündnis), das sei notwendiger Klimaschutz, man müsse die Verkehrswende beschleunigen. Es sei nun offenbar geworden, dass die Rechtslage der Verwaltungsspitze Probleme bereite. Die SPD will mit dem Ökolager erörtern, ob sie den externen Prüfauftrag für einen Interimshalt im Kopfbahnhof in einem anderen Ausschuss zur Abstimmung stellt.