Welchen Weg die Gäubahn ab Mitte 2025 nimmt, ist unklar. Womöglich müssen alle Reisenden umsteigen. Foto: Lichtgut/Tabea Guenzler

Der Vorschlag des Berliner Verkehrs-Staatssekretärs Michael Theurer stößt auf starke Kritik. Am 19. Juli kommt es zu einem Gipfeltreffen

Der Vorschlag des Berliner Verkehrsstaatssekretärs Michael Theurer (FDP), IC-Züge auf der Gäubahn von Ende 2025 an über Tübingen nach Stuttgart zu führen, hat die Gäubahn-Anrainerkommunen kalt erwischt. Theurer hatte ihn am Samstag im Gespräch mit unserer Zeitung erstmals öffentlich vorgebracht. Gleichzeitig erfuhren die Betroffenen, dass es am 19. Juli in Böblingen eine Gäubahn-Konferenz geben soll.

2025 wird die Strecke in Stuttgart vom Hauptbahnhof abgekoppelt, um neue Gleise für die S-Bahn zu legen. Alle Reisenden sollen dann nach der Vorstellung der Deutschen Bahn AG so lange in Stuttgart-Vaihingen auf S- und Stadtbahnen zum Hauptbahnhof wechseln, bis die Gäubahn über Tunnel an die S-21-Infrastruktur am Flughafen angeschlossen ist. Das könnte bis 2035 dauern. Die Unterbrechung sollte eigentlich nur ein halbes Jahr dauern.

Städte: Keine Abbindung

„Keine Abbindung, bevor die Alternative fertig ist“, diese Botschaft hatten die betroffenen Kommunen Singen, Rottweil, Tuttlingen, Villingen-Schwenningen, Herrenberg und Böblingen vergangenen Mittwoch ausgegeben und ihre Forderung mit einem Gutachten untermauert. Die Bahn dürfe die innerstädtischen Gäubahngleise nicht einfach stilllegen, sie habe eine Betriebspflicht.

„Unsere Botschaft ist ganz einfach, und sie bleibt bestehen, wir werden uns damit wie angekündigt an die Bahn-Aufsicht, das Eisenbahn-Bundesamt wenden“, sagte der Böblinger OB Stefan Belz (Grüne) am Montag. Die Gäubahn-Konferenz am 19. Juli war mit den Kommunen offenbar nicht abgesprochen, sie befürchten, von der Bahn AG und Theurer vollendete Tatsachen präsentiert zu bekommen – zumal am 18. Juli der Lenkungskreis für das Projekt Stuttgart 21 tagt. Er soll beschließen, 270 Millionen aus dem S-21-Budget für die Röhren des Pfaffensteigtunnels (Böblingen-Flughafen) umzuschichten.

Deutliche Kritik an Theurer

Die Oberbürgermeister der protestierenden Städte befürchten, dass sich die Deutsche Bahn ihrer Betriebspflicht entzieht. „Wenn der Staatssekretär nun zum Replikator der Bahn wird, dann wird er seiner Aufgabe nicht wirklich gerecht“, sagt Belz. Die Städte erwarteten, dass das Land als S-21-Partner eingreife. „Im Koalitionsvertrag steht der Erhalt der Strecke“, sagt Stefan Belz. Er erinnert, wie in der Vorwoche sein Singener Kollege Bernd Häusler, daran, dass bei der Volksabstimmung zu S 21 eine bessere Anbindung an Stuttgart versprochen worden war. Damit seien die S-21-Befürworter „hausieren gegangen“.

Bei der FDP im Land sind nicht alle mit dem Vorschlag, IC-Züge der Gäubahn über Tübingen nach Stuttgart zu fahren, glücklich. Die eingleisige Verbindung Horb-Tübingen ist nicht elektrifiziert, Böblingen würde abgehängt. Theurer sieht die Möglichkeit, die Strecke zu ertüchtigen. „Zeit und Kosten sind dabei Faktoren“, sagt sein Parteikollege Hans-Dieter Scheerer, der im Landtag sitzt. Er spricht sich für den Schienenweg von Böblingen über Renningen nach Stuttgart aus, eine entsprechende Anfrage hat die FDP an die Landesregierung gestellt. „Man muss in Zeiten der Verkehrswende in einem Rutsch durchkommen“, so Scheerer. Man könne nicht Kurzstreckenflüge in Deutschland untersagen wollen und die Gäubahn abhängen, so der Parlamentarier aus dem Wahlkreis Leonberg/Herrenberg/Weil der Stadt weiter.

FDP mit Positionspapier

Die FDP-Fraktion fordert in einem Positionspapier den Komplettausbau der Gäubahn auf zwei Gleise, ebenso relevant seien der Pfaffensteigtunnel und die Ergänzungsstation beim Tiefbahnhof sowie ein Notfallkonzept für die S-Bahn, die die innerstädtische Gäubahn ja bisher bei Problemen im S-Bahntunnel als Umfahrungsstrecke nutzt.

Unterstützung erhalten die Anrainer vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel. Eine jahrelange Unterbrechung sei „rechtlich nicht abgesichert, die Deutsche Bahn kann und darf dies nicht einfach ausblenden“, sagt er. Auch die Stadt Stuttgart habe per Gutachten festgestellt, dass eine Betriebspflicht bestehe. Allerdings betrachtet sie die Stecke nur bis zu einem Nordhalt, nicht bis zum Hauptbahnhof. „Auch für die DB gilt deutsches Recht“, so Gastel. Sie solle „endlich an einer konstruktiven Lösung arbeiten, zusätzliches Umsteigen muss abgewendet werden“, so Gastels Appell.