Ziegen haben im Landschaftsschutzgebiet nichts zu suchen. Foto: /Kerstin Dannath

Der Landtag lehnt die Petition der Wendlinger Interessengemeinschaft Streuobst ab, sie müssen ihre Bauten abreißen. Die betroffenen Stücklesbesitzer sind empört, doch für SPD-Politiker Andreas Kenner ist die Aktion aber alles andere als erfolglos.

Der Petition sei nicht abzuhelfen – mit dieser relativ nüchternen Formulierung wurde dem Ansinnen der Wendlinger Interessengemeinschaft Streuobst (IGO) für die Erhaltung der Streuobstwiesen unter Berücksichtigung eines gewissen Freizeitwerts ihrer „Stückle“ noch kurz vor Weihnachten ein abschlägiger Bescheid erteilt. Bei den betroffenen Stücklesbesitzern in Wendlingen herrscht Ernüchterung – für den Kirchheimer Landtagsabgeordneten Andreas Kenner (SPD), Mitglied des Petitionsausschusses des Landtags, ist der Stein erst ins Rollen gekommen.

„Die Ablehnung war zu erwarten, die Rechtslage gibt einfach nicht mehr her“, erklärt Kenner. Dennoch bewertet er die Aktion der Wendlinger IGO alles andere als erfolglos. „Das Thema steht nun im ganzen Land auf der Agenda und wird auch nicht verschwinden, bis es eine Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung gibt“, sagt der Kirchheimer. „Alle sind sich einig, dass was passieren muss.“

Einer der Hauptkritikpunkte der Wendlinger IGO war, dass die Politik den Menschen, die die Streuobstwiesen pflegen, zu wenig entgegenkomme. Als Gegenleistung für das „Heidengeschäft“, dass die Pflege einer Streuobstwiese verursacht, nur ein paar Äpfel zu bekommen, sei zu wenig, erklärte der Wendlinger Hermann Sommer, der die IGO-Petition eingereicht hat, noch im Herbst 2022. Es müsse auch drin sein, dass man sich nach getaner Arbeit gemütlich auf sein „Stückle“ setzen, eine Wurst über den Grill ziehen und ein Feierabendbier trinken könne, forderte Sommer damals. Ein weiterer Punkt: Geschirrhütten für die Unterbringung diverser Gerätschaften zur Pflege der Wiese gelten vor dem Gesetz als bauliche Anlagen und sind gemäß Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht erlaubt. Das wird aber nicht überall gleich gehandhabt – so drücken die zuständigen Landratsämter etwa in Stuttgart oder in Ludwigsburg bei Hütten bis zu 20 Kubikmeter auch gerne mal ein Auge zu – in Wendlingen müssen die Bauten dagegen weg.

„Das Land muss dringend eine Gesetzesänderung vornehmen und vor allem die Größe der Hütten festlegen, das ist kein Hexenwerk und durchaus leistbar“, sagt Kenner und schlägt sich damit auf die Seite der Stücklesbesitzer. Er betont aber auch, dass der Schutz der Streuobstwiesen nach wie vor Vorrang hat: „Gepflasterte Terrassen mit fest eingebauten Grills gehören da nicht hin. Die meisten Stücklesbesitzer pflegen aber einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit der Thematik. Auch sie wollen kein Halligalli im Landschaftsschutzgebiet, aber ein Kompromiss muss für sie drin sein.“ Kenner bewertet das Angebot des Esslinger LRA, öffentlich-rechtliche Verträge anzubieten, als „sehr vernünftig“. So gebe es dabei etwa die Möglichkeit zeitliche Fristen einzubauen – damit könne zum Bespiel ein zu groß geratenes Holzlager über einen gewissen Zeitraum hinweg verfeuert werden oder der Rückbau eines Baumhauses – ebenfalls im Landschaftsschutzgebiet nicht zulässig – kann zeitlich fixiert werden.

Für Hermann Sommer und die IGO indes alles Kokolores: „Ehrlich gesagt, habe ich die Schnauze voll von der Politik.“ In der vierseitigen Begründung der Ablehnung sei lediglich zwei Mal das Wort „Streuobstwiesen“ eingeflossen. „In 95 Prozent des Textes werden uns Stücklesbesitzern Gesetze, Verordnungen und Verbote um die Ohren gehauen“, sagt Sommer. „Nach meiner Wahrnehmung interessiert sich beim LRA kein Mensch für den Erhalt der Streuobstwiesen.“ Stattdessen werde mit großem Brimborium mit dem „Schwäbischen Streuobstparadies“ ein neuer Verein gegründet, der das Paradies vermarkten soll. „Aber von denen pflegt keiner einen Baum“, kritisiert der Wendlinger. Im Gegenteil – es werde sogar zugegeben, dass Bewirtschafter fehlen: „Und den Wenigen, die noch Bäume pflegen, werfen sie Prügel zwischen die Beine.“ Auch die übrigen der IGO-Mitglieder sähen mit dem Bescheid schwarz für die Zukunft der Streuobstwiesen. „Der Tod der Streuobstwiesen wird spätestens mit der nächsten Generation eintreten“, zitiert Sommer einen Wendlinger Stücklesbesitzer. Die meisten der beanstandeten Bauten seien sowieso freiwillig zurückgebaut worden. Allerdings bestätigt Sommer, dass es selbst in jüngster Zeit in Wendlingen weitere Verstöße gegeben habe: „Da züchtet beispielsweise jemand Ziegen in einem fahrbaren Stall und hat die Obstbaumwiese umzäunt – der fällt uns natürlich in den Rücken.“

Und wie geht es jetzt für die Petenten weiter? Vom Esslinger LRA heißt es auf Anfrage: „Die Baurechtsbehörde wird im Anschluss an das Petitionsverfahren auf die Grundstückseigentümer zugehen und die Vereinbarung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags anbieten. Ortsbesichtigungen sind möglich, sofern dies von den Eigentümern gewünscht wird und zur Aufklärung der Sach- und Rechtslage beiträgt.“ Diese Möglichkeiten haben laut Landratsamt im Übrigen auch Nicht-Wendlinger Stücklesbesitzer, denn auch in anderen Orten des Landkreises geht das LRA gegen „Schwarzbauten im Außenbereich“ vor.

Der SPD-Abgeordnete Kenner empfiehlt den Stücklesbesitzer nun, die tatsächliche Reaktion des LRA abzuwarten und verspricht seinerseits, an der Thematik dranzubleiben: „Ich werde selbst immer mal wieder nachhaken, der Sachverhalt eignet sich gut für aktuelle Debatten im Landtag. Letztlich ist das auch eine dankbare Aufgabe für uns als Opposition.“

Die Historie des Wendlinger Streuobststreits

Der Hintergrund
 Mitte Dezember 2021 reichte die Interessengemeinschaft Streuobst (IGO) eine Petition für die Erhaltung der Streuobstwiesen ein. Sie hatten im Sommer 2021 Post vom Landratsamt (LRA) erhalten, mit der Anweisung, alle illegalen Bauten, also die nach 1992 errichtete Geschirrhütten auf ihren „Stückle“, im Landschaftsschutzgebiet in Wendlingen zurückzubauen. Unterschrieben hatten 45 Betroffene und 1166 Unterstützer.

Die Anhörung
 Im September 2022 lud die Kommission des Petitionsausschusses des Landtags unter dem Vorsitz des Kirchheimer Landtagsabgeordneten Andreas Kenner (SPD) alle Beteiligten – die IGO, Vertreter des LRA und der Stadtverwaltung – zu einer Anhörung nach Wendlingen ein. Dort sagte Marion Leuze-Mohr, die Erste Landesbeamtin und Stellvertreterin des Landrats, den Grundstücksbesitzern zu, dass das LRA allen Betroffenen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag anbieten wird, der die Regularien für jedes „Stückle“ festzurrt.

Der Bescheid
 Der Petitionsausschuss des Landtags hat Mitte Dezember das Urteil gefällt, dass die Petition nicht weiterverfolgt werden kann. Begründung: Der durch das LRA beschrittene Weg sei sinnvoll und geeignet, den Konflikt zu lösen.

Die rechtliche Seite
 Laut Landschaftsschutzgebietsverordnung sind in einem Landschaftsschutzgebiet alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Ausgenommen sind bauliche Anlagen, die vor dem 15. November 1992 erstellt wurden – sie haben Bestandsschutz.