Das Totholz auf der Brettener Streuobstwiese muss erst einmal liegen bleiben. Ob hier jemals ein Gewerbegebiet entsteht, ist offen. Foto: Nabu BW

Für den Nabu war die Abholzung einer Streuobstwiese bei Bretten ein dreister Fall. Jetzt wird auch das Verwaltungsgericht in dem Fall ziemlich deutlich.

Haben die Stadt Bretten und das Karlsruher Landratsamt getrickst, um die Abholzung einer alten Streuobstwiese zugunsten eines Gewerbegebiets hinter dem Rücken des Naturschutzbundes (Nabu) durchzuziehen? Diese Vermutung des Nabu-Landeschefs Johannes Enssle teilt nun offenbar auch das Karlsruher Verwaltungsgericht. In einer am 23. Dezember ergangenen Eilentscheidung hat die 14. Kammer dem Karlsruher Landratsamt für sein Vorgehen eine klare Rüge erteilt. Es habe im Fall der Streuobstwiese den Anspruch des Nabu auf rechtliches Gehör verletzt.

Wie das Gericht den Fall nun schildert, spricht tatsächlich einiges für ein verabredetes und systematisches Vorgehen von Rathaus und Landratsamt. Per Email hatte die Stadt am 17. November, einem Donnerstag, den Sofortvollzug der Umwandlungsgenehmigung, also die Erlaubnis zur sofortigen Abholzung trotz laufender Einsprüche, beantragt. Das Landratsamt war gut darauf vorbereitet, wie auch das Gericht feststellt, denn schon zwei Wochen vorher war eine schriftliche Rohfassung des Antrags bei der Behörde vorgelegen. Nur vier Tage nach Eingang der Email, am Montag, 21. November, ging die Genehmigung wieder raus – ebenfalls elektronisch.

Die gelbe Post braucht eine Woche

Den Nabu informierte man hingegen auf dem Postweg. Man sei frei bei der Wahl des Kommunikationswegs, verteidigte sich später die Behörde. Doch auch das Gericht zeigt dafür kein Verständnis. Es handele sich um einen „Verfahrensfehler“. Schließlich hätten „konkrete Anhaltspunkte“ vorgelegen, „dass die Stadt Bretten unmittelbar nach Erhalt der Anordnung mit der Rodung beginnen wollte“ und andererseits der Nabu dagegen „um Eilrechtsschutz nachsuchen würde“.

Ob die Deutsche Post alleine dafür verantwortlich zeichnete, dass der Brief eine ganze Woche brauchte, oder ob die Poststelle des Landratsamtes ein wenig nachhalf, muss offen bleiben. Als der Rechtsanwalt des Nabu am 28. November die Mitteilung in seinem Briefkasten fand, heulten auf der Brettener Wiese jedenfalls schon die Motoren. Nur einer von 40 mehr als 100 Jahre alten Obstbäumen konnte durch einen einstweiligen Stopp noch gerettet werden.

Auch die Abwägung war lausig

Diesen Stopp bestätigte das Gericht jetzt. Seit 2020 stehen Streuobstwiesen unter besonderem Schutz und dürfen nur noch in Ausnahmefällen gerodet werden. Für das Landratsamt war ein solcher Ausnahmetatbestand in Bretten gegeben. Doch das Verwaltungsgericht äußert in seiner Entscheidung „ernstliche Zweifel“, ob das Landratsamt die Abwägung zwischen den Wünschen der Stadt und den Interessen der Allgemeinheit an einer Erhaltung der Streuobstwiesen „hinreichend eigenständig“ vorgenommen habe. Seine Entscheidung habe das Landratsamt nämlich „im Wesentlichen durch einen Verweis auf Ausführungen im Antrag der Stadt Bretten begründet“.

Der Nabu-Chef Enssle begrüßte die Eilentscheidung als „tolles Weihnachtsgeschenk für alle, denen der Schutz der Streuobstwiesen am Herzen“ liege. Der Umweltverband hatte in den vergangenen Monaten landesweit in mehr als 40 weiteren Fällen Widersprüche gegen die Rodung von Streuobstwiesen eingelegt. Das Gericht vertrete nun die Auffassung, dass bei der Prüfung solcher Vorhaben ähnlich intensiv vorgegangen werden müsse, wie bei Waldumwandlungen. Dies würde allerdings bedeuten, dass die Landratsämter gar nicht mehr alleine entscheiden könnten, sondern die Regierungspräsidien zuständig seien.

Das Landratsamt gibt sich kleinlaut

Die Stadt Bretten äußerte sich nicht. Das Karlsruher Landratsamt, gegen das der Nabu auch eine Fachaufsichtsbeschwerde eingereicht hatte, gab sich kleinlaut. Eine Anfechtung der Entscheidung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim (VGH) wäre möglich. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage jedoch, man akzeptiere den Beschluss. „Das Landratsamt wird die umfängliche Begründung des Beschlusses nun genau analysieren und die gemachten Vorgaben für vorliegende und künftige Fälle beachten.“

Ob die Stadt Bretten die gerodete Streuobstwiese nun noch für die Erweiterung ihres Gewerbegebiets Gölshausen nutzen kann, ist trotz der geschaffenen Tatsachen fraglich. Eine weitere Wiese im Plangebiet sei nun erst einmal sicher, sagte Enssle. Und ohnehin sei eine Streuobstwiese mehr „als die Summe der einzelnen Bäume“. Bisher durften die Baumstümpfe und das eingeschlagene Holz nicht abgeräumt werden. „Das könnte ein toller Lebensraum für Totholzkäfer werden“, sagte Enssle. Alles Weitere ist dem rechtlichen Verfahren vorbehalten. Doch weil die Abholzung rechtswidrig war, muss die Wiese nun wohl so behandelt werden, als stünde sie noch in voller Pracht da.