Tunneldurchschlag bei Stuttgar 21. Es wird weitergebaut und weitergestritten. (Archivbild) Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der Verwaltungsgerichtshof hat Ende 2018 im Streit um Pläne für Stuttgart 21 am Landesflughafen ein Urteil gesprochen. Ein formeller Fehler wurde korrigiert, die Bagger rollen wieder. Und doch wird der Streit zwischen Umweltschützern und Bahn erneut verhandelt.

Stuttgart - Schaut man flüchtig auf das, was das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag (28. Mai/10.00 Uhr) zum Streit um das Mega-Bahnprojekt Stuttgart 21 zu verhandeln hat, könnte man sich staunend die Augen reiben. Denn gestritten wird unter anderem über einen Fehler, der eigentlich bereits beseitigt worden ist. Die Bagger an der umstrittenen Baustelle am Stuttgarter Flughafen laufen auch wieder. Und in der Vorinstanz hatten sich sowohl die klagenden Umweltschützer als auch die Bahn zufrieden gezeigt mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim - und gingen danach dennoch beide in Revision.

Doch wie stets bei dem seit Jahrzehnten auf verschiedenen Feldern ausgetragenen Streit um das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm geht es auch dieses Mal um die Feinheiten, um Gutachten und um Annahmen, bei denen beide Seiten - Umweltschützer und Bahn - meilenweit auseinanderliegen. Und natürlich steht für die Gegner von Stuttgart 21 stets auch der Sinn des gesamten Projektes in Frage.

Im Einzelnen: Der VGH hatte Ende 2018 geurteilt, dass die gemeinsame Baugenehmigung für den S21-Flughafenbahnhof samt Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm und eine Straßenverlegung entlang der Trasse rechtswidrig sei. Im Kern ging es um die Frage, ob das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) in seinem Planfeststellungsbeschluss quasi in einem Aufwasch über ein wichtiges Projekt - den Tiefbahnhof am Flughafen - und ein in der Abwägung schwächer zu begründendes Vorhaben wie die Straßenverlegung entscheiden kann. Nach Ansicht der klagenden Naturschützer - der Schutzgemeinschaft Filder und des Nabu Stuttgart - hätten zwei Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgenommen werden müssen.

Dies sah der VGH ähnlich: Aus Sicht der Richter hatte es das EBA versäumt, die mit dem Straßenbauvorhaben verbundenen Vorteile und die nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt abzuwägen - und zwar unabhängig von dem Eisenbahnvorhaben. Bei der Verlegung der Straße gehe es um ein selbstständiges Projekt. Im Übrigen sei die Genehmigung aber rechtmäßig: Die Eisenbahnplanung sei verkehrspolitisch und städtebaulich gerechtfertigt, ihre Finanzierung hinreichend gesichert (Az: 5 S 1981/16 und 5 S 2138/16).

Volumen von 500 Millionen Euro

Das EBA musste die fehlerhafte Baugenehmigung für den Straßenanschluss von Plieningen und für die ICE-Strecke entlang der Autobahn und den Flughafen-Anschluss korrigieren und tat dies auch. Sie ordnete zudem den „Sofortvollzug“ an, die Bahn gab sich daraufhin selbstbewusst und vergab nach eigenen Angaben Bauaufträge im Volumen von 500 Millionen Euro. Allerdings hatte der VGH die Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen. Und dort wird nun abschließend verhandelt und sehr wahrscheinlich noch am Donnerstag entschieden.

Steffen Siegel, der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder, sieht darin die Chance für eine kritischere Bewertung der Bahn-Pläne - etwa zum Brandschutz, zum Tunnelbau oder zum Bau des geplanten Fernbahnhofs am Flughafen Stuttgart. „Der formelle Fehler ist ja nur ein Nebenaspekt gewesen“, sagt er. Siegel hofft, das in Leipzig das ganze Vorhaben am Flughafen kritisch betrachtet wird. Die Bahn wollte sich erst nach einer Entscheidung äußern.

Der Flughafen ist nur ein Teil des Projekts Stuttgart 21, das für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart steht. Gebaut werden laut Deutscher Bahn 4 neue Bahnhöfe, 57 Kilometer neue Schienenwege, 59 Kilometer Tunnelröhren, 16 Tunnel und Durchlässe sowie 44 Brücken. Stuttgart 21 soll dazu beitragen, die Reisezeiten im Fern- und im Regionalverkehr erheblich zu verkürzen. Allerdings sind Bauzeiten und Kosten in den vergangenen Jahren immer wieder angepasst worden.