Kinder dürfen kein Druckmittel sein. Foto: picture alliance / Arne Dedert/dpa/Arne Dedert

Unter dem „Abhol-Streik“ in Schorndorf leidet nicht nur das Personal. Auch im Verhältnis zwischen Erzieherinnen und Kindern drohen atmosphärische Störungen, findet unser Autor.

Es gibt diese Tage, an denen die Konferenz viel zu lange dauert, die S-Bahn mal wieder nicht fährt und die Autobahn im Feierabendverkehr verstopft ist. Auch den besten Eltern kann es deshalb passieren, dass sie beim Abholtermin im Kindergarten nicht super-pünktlich auf der Matte stehen. Wer nicht regelmäßig zu spät kommt, wird von Erziehungskräften mit Lebenserfahrung aber in aller Regel auch nicht schief angesehen – manchmal läuft es eben so, wie es läuft.

Die Erzieherinnen müssen durch die Trotzreaktion nun Überstunden schieben

Was in Schorndorf seit dem Jahreswechsel um sich greift, fällt freilich nicht mehr in diese Kategorie. In der Daimlerstadt hat sich der Protest gegen die geplante Verkürzung der Betreuungszeiten zu einem „Abhol-Streik“ ausgewachsen, bei dem Kinder nahezu täglich erst mit deutlicher Verspätung vom Hort nach Hause geholt werden. „Nein, Mama und Papa sind immer noch nicht da“, sagen die Erzieherinnen – und knirschen mit den Zähnen, weil sie durch eine reichlich kindisch wirkende Trotzreaktion der Eltern wieder Überstunden schieben müssen.

Nun lässt sich durchaus fragen, ob pünktlich um 15.30 Uhr schließende Kindertagesstätten noch in die Lebenswirklichkeit passen. Mit einem Ganztagsbetrieb haben solche Abholzeiten wenig zu tun, für berufstätige Eltern sind sie im Arbeitsalltag nur mit größter Mühe zu schaffen. Schorndorf sollte deshalb dringend prüfen, ob die Einrichtung extralang geöffneter Gruppen nicht ein Ventil für Eltern im Vollzeit-Job schafft. Dieser besondere Service darf im Geldbeutel spürbar sein – sowohl bei den Eltern als auch beim länger bleibenden Personal.

Ein besonderer Service darf sich auch im Geldbeutel bemerkbar machen

Dennoch ist es richtig, dass die Stadt Schorndorf energisch reagiert, um den Protest der Eltern nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen. Auf dem Rücken des Personals darf der Streit um die Betreuungszeiten nicht ausgetragen werden. Und die Kinder dürften als Erste merken, dass es mit der Geborgenheit nicht weit her ist, wenn das Klima in der Kindertagesstätte nicht stimmt.