Die Eingewöhnung von kleinen Kindern in der Kita dauert deutlich länger als bisher. Foto: dpa/Annette Riedl

An diesem Donnerstag wird wieder gestreikt in Kitas und Ämtern. Zwei Frauen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst schildern ihre Erfahrungen mit dem Personalmangel, mit Corona und veralteter Technik und erklären, warum sie ihre Arbeit niederlegen.

Die Pandemie ist insbesondere für diejenigen eine Herausforderung, die für andere Menschen da sein müssen. Die Arbeit hat zugenommen, das Personal ist ausgedünnt. Zwei Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst beschreiben hier, was es ihnen erschwert, ihre Arbeit so zu machen, dass sie selbst damit zufrieden sein können. Henriette Prillwitz, 39 Jahre, Sozialarbeiterin beim Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamts in Ludwigsburg:

„Bei uns ist die Fluktuation sehr hoch. Viele Stellen bleiben unbesetzt, viele kündigen nach Kurzem wieder, viele gehen vorzeitig in Rente. Personelle Unterbesetzung zwingt uns immer wieder dazu, Fälle zu priorisieren. Ein Kinderschutzfall zum Beispiel muss an erster Stelle bearbeitet werden. Kommen in derselben Zeit Eltern, die um Beratung in Erziehungsfragen bitten, müssen wir sie vertrösten. Das frustriert sie, und Auseinandersetzungen in der Familie werden unter Umständen zu größeren Krisen, weil wir keine Zeit für einen Hausbesuch gehabt haben. Wir haben permanent das Gefühl, aus Zeitmangel den Menschen nicht gerecht zu werden. Das ist eine enorme psychische Belastung.

Kein Rückzugsraum für Gespräche mit Familien

Die Ausstattung unserer Arbeitsplätze erleichtert uns die Arbeit nicht. Die Arbeitsprozesse sind kompliziert, unsere Arbeit, insbesondere bei Kinderschutzfällen, verlangt eine lückenlose Dokumentation. Doch statt geeigneter Programme klicken wir uns durch selbst gebastelte Word-Dokumente, oftmals auf den privaten Laptops. Obwohl bei den Besprechungen mit Eltern und Familien wirklich sehr viel Persönliches und sensible Daten auf den Tisch kommen, haben wir dafür keinen Raum, wo wir ungestört reden können. Unsere Büroräume sind mehrfach belegt.

Zu viele Verträge befristet

Für unsere Arbeit ist ein Studium Voraussetzung, wir tragen Verantwortung in Kinderschutzfällen, in krisenhaften Situationen, in Sorgerechtsverfahren. Trotzdem werden Berufsanfänger bezahlt wie Verwaltungsangestellte. Viele Mütter bekommen keinen Kita-Platz und arbeiten nur noch in Teilzeit. Auch dass Verträge nur befristet ausgeschrieben und erst sehr spät verlängert werden, hält Studienabgänger von dem Job ab. Denn wenn man in dieser Lebensphase für Anschaffungen einen Kredit braucht, ist man nicht kreditwürdig genug. Und diejenigen, die sich auf private Kosten weiterbilden, werden noch nicht einmal höher eingruppiert. Im Zweifel entscheiden sich Berufsanfänger lieber für Jobs in Unternehmen oder in der Erwachsenenbildung.

An dem Tag, an dem ich streike, fällt ein Gespräch zur Vorbereitung von Eltern in einem Sorgerechtsverfahren aus, auch das Gespräch, in dem es um eine mögliche Heimunterbringung eines Mädchens gehen sollte, ein Hausbesuch im Rahmen der Familienhilfe und viele, viele Telefongespräche mit Schulen und Trägern. Das wird alles nachgeholt.“ Daniela Renz, 40 Jahre, Heilerziehungspflegerin, seit 15 Jahren beim Jugendamt Stuttgart und aktuell Springkraft:

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„,Ach, Sie sind eine von den Kaffee trinkenden Tanten, die da immer im Garten der Kita sitzen?’ Das hat man mal zu mir gesagt, als ich auf Wohnungssuche war. Dabei sind unsere Arbeitsbedingungen sehr anstrengend. Wir leiden seit Langem unter einer sehr hohen Personalfluktuation: Fachkräfte sind rar und haben zurzeit sehr viele Möglichkeiten, sich beruflich neu zu orientieren. Die freien Stellen nachzubesetzen ist extrem schwierig, insbesondere die der Zusatzfachkräfte. Kommen Quereinsteiger zum Zug, müssen sie eingearbeitet werden, mit ihnen muss man pädagogisches Verhalten reflektieren. Das geht aber nur in den Randzeiten, wenn Kolleginnen die Gruppe übernehmen oder nach Kita-Schluss.

Die Kita nicht mehr gewöhnt

Als Springkraft wechsle ich zwei- bis dreimal pro Woche die Einrichtung, immer dann, wenn Kollegen wegen Krankheit, Urlaub, Fortbildung fehlen und aus Personalmangel offene Stellen nicht besetzt sind. Bei permanenter Unterbesetzung zwei Kinder mehr in der Gruppe betreuen zu müssen, wie es die Kommunalverbände fordern, ist in der momentanen Situation nicht hilfreich. Zumal wir ja auch, was die Eingewöhnung von Kindern angeht, in Verzug sind. In der Zeit kümmert sich eine Bezugserzieherin 1:1 um das Kind. Dann kamen Corona und der Lockdown. Das heißt, die Kinder waren viel öfter in ihren Kernfamilien, überhaupt nicht mehr in Pekip-, Sport- oder Musikgruppen und brauchen viel mehr Zeit für die Eingewöhnung, teilweise zwei Monate länger als gewöhnlich. Während der Infektionswellen waren mal das Kind, mal die Erzieherin krank, dann fängt man mit der Eingewöhnung wieder von vorne an.

Und uns fehlt eine moderne technische Ausstattung. In unseren Kitas gibt es nur zwei bis drei PCs für administrative Aufgaben und für die 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die darauf Dokumentationen erstellen und ihre Stunden in Exel-Tabellen abrechnen sollen. Da muss dringend was passieren.“