Demonstranten machen ihrem Ärger vor dem Stuttgarter Rathaus Luft. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei der Kundgebung von Verdi für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst auf dem Schlossplatz forderten die Streikenden unter anderem, dass sich OB Nopper für sie stark macht. Ein Zwischenfall sorgte kurzzeitig für Verwirrung.

Mehrere Tausend Menschen haben am Mittwoch bei einer Kundgebung auf dem Schlossplatz und einem Demonstrationszug eine deutlich bessere Bezahlung im Öffentlichen Dienst gefordert. Zu der Protestveranstaltung hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgerufen, ebenso zu dem Warnstreik an diesem Tag, der Teile des öffentlichen Lebens auch in der Region Stuttgart lähmte. Bei der Hauptkundgebung am Schlossplatz um die Mittagszeit kam es zu einem kleinen Zwischenfall: Hauptredner Martin Gross von Verdi blieb plötzlich der Ton weg. Nach Angaben der Veranstalter hatte ein Unbekannter das Stromkabel durchgeschnitten.

An einem ganz normalen Werktag transportieren die Bahnen und Busse der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) etwa 600 000 Fahrgäste. Am Mittwoch fuhren den ganzen Tag keine Stadtbahnen und fast keine Busse. Auch das SSB-Personal war im Warnstreik. Deswegen war vor den Schulen im Stadtgebiet vor der ersten und nach der letzten Unterrichtsstunde etwas mehr Verkehr als sonst. Und deswegen waren auf den Straßen auch manche im Auto unterwegs, die sonst eher die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.

Entscheidung des Gemeinderats stößt auf Unverständnis

Auf den Stuttgarter Schlossplatz waren Streikende aus der ganzen Region gekommen: aus Waiblingen, Sachsenheim, Ludwigsburg oder Herrenberg, aus Sparkassen, Kliniken, Rathäusern oder Jobcentern. Viele Bus- und Bahnfahrer und -fahrerinnen der SSB waren da, viele Erzieherinnen und Erzieher, Mitarbeitende der Müllabfuhr ebenso wie von der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft.

Die mitgebrachten Transparente sprachen für sich. „Kinder brauchen Knete. Wir auch” trugen Kita-Mitarbeiterinnen vor sich her, Schilder mit der Aufschrift „Stuttgart von Beruf – das müssen wir uns leisten können” hatten Arbeitskräfte der Stadt mitgebracht. Die waren besonders sauer. Der Grund für den Ärger war auf Flugblättern nachzulesen und wurde auch in den Reden immer wieder angesprochen: die gerade vom Stuttgarter Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossene Erhöhung der (freiwilligen) Dienstaufwandsentschädigung für ohnehin fünfstellig verdienende Bürgermeister der Landeshauptstadt um mehr als 450 Euro im Monat.

„Das ist eine Frechheit”, schimpften beispielsweise Isabel und Sherry von der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft in ihrer Rede bei der Kundgebung. In der laufenden Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst fordern die Arbeitnehmervertreter 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro und 200 Euro für die Auszubildenden und das mit einer Laufzeit von zwölf Monaten. Das wird von Arbeitgeberseite bisher als nicht finanzierbar abgelehnt, auch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die die Forderungen als „nicht zielführend” bezeichnet hatte. Die Arbeitgeber haben bisher fünf Prozent mehr Gehalt auf 27 Monate angeboten, was deutlich unter der aktuellen Inflationsrate liegt.

Plötzlich fällt die Soundanlage aus

Der Landesbezirksleiter von Verdi Baden-Württemberg, Martin Gross, der gerade im Amt bestätigt wurde, sagte: „Wir leben in einem Bundesland, in dem dauernd über Porsche und Daimler berichtet wird. Aber wir machen das Wirtschaften in diesem Land erst möglich!” Er bezeichnete das Angebot der Arbeitgeber als Frechheit und gab sich überzeugt: „Ohne Streik lässt sich nichts verändern!” Auch er sprach das Bürgermeister-Thema an: „Wer 470 Euro oben mehr bezahlt, on top zum Gehalt, hat kein einziges Argument mehr gegen einen hohen Mindestbetrag. Ich erwarte von Oberbürgermeister Nopper, dass er sich nach diesem völlig überzogenen Schluck aus der Pulle beim KAV Baden-Württemberg uneingeschränkt für unsere Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr, stark macht. Damit sich nicht nur Bürgermeister Stuttgart als Beruf leisten können.“

Mitten in seiner Rede fiel plötzlich die den ganzen Schlossplatz beschallende Soundanlage aus. Dank eines rasch herbei gebrachten Ersatzkabels konnte die Kundgebung wenig später fortgesetzt werden. Nach Angaben der Veranstalter hatte ein Unbekannter das Stromkabel der Anlage durchgeschnitten.

Gross kündigte an, dass die Gewerkschaften den Druck auf die Arbeitgeber bis zur nächsten Verhandlungsrunde in der kommenden Woche noch einmal deutlich erhöhen wollten. Sollte es auch in dieser Runde kein akzeptables Ergebnis geben, solle weiter gestreikt werden. Andere Redner schlossen auch eine Urabstimmung und einen länger anhaltenden Streik nicht aus. „Wir könnten den ganzen Schuppen hier lahmlegen”, hieß es unter anderem. „Dann wollen wir mal sehen, wie die Privatwirtschaft den Laden am Laufen hält.”

Der Demonstrationszug der von der Gewerkschaft auf rund 7000 geschätzten Teilnehmer führte von der Planie über den Schillerplatz zum Rathaus und von dort in einer kleinen Runde am Karlsplatz vorbei zurück zum Schlossplatz. Entlang der Planie waren neben Versorgungsständen auch zahlreiche Stände zur Streikgelderfassung aufgereiht. Die Kundgebung löste sich gegen 13 Uhr langsam auf.