Seilbahnfahrten mitten in der Stadt: Bei der Gartenschau in Berlin wurde dies Realität. Foto: dpa/Britta Pedersen

In anderen Städten gibt es längst Seilbahnen als Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Auch das Verkehrsministerium und die Stadt Stuttgart verfolgen die Idee. Nun hat auch der Verband Region Stuttgart auf Antrag mögliche Verbindungen in der Region ausgeguckt. Wir sagen, wo.

Stuttgart - Hebt der Nahverkehr in der Region Stuttgart bald ab? Nach der Stadt Stuttgart und dem Land liebäugelt nun auch der Verband Region Stuttgart mit dem Bau von Seilbahnen zur Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs mit Bahnen und Bussen. Auf eine Anfrage der FDP-Fraktion haben die Verkehrsexperten der Region acht Korridore ausgeguckt, in denen sie die Installation einer Seilbahn für denkbar halten. Wie es weitergeht, soll mit den betroffenen Kommunen besprochen werden.

Stuttgart untersucht drei Strecken

In der Stadt Stuttgart werden ja bereits drei mögliche Seilbahnverbindungen untersucht: vom Eiermann-Campus (dem früheren IBM-Gelände am Autobahndreieck) über die Filder zum Halt Flughafen/Messe, von Degerloch nach Plieningen, vom Hauptbahnhof zum Neckarpark in Bad Cannstatt und vom Ostendplatz über Mittnachtstraße zum Pragsattel.

Grober Suchlauf in Region

Die Planer des Regionalverbands ließen touristische und Veranstaltungsseilbahnen außen vor. Sie stellten sich bei ihrem, wie sie selbst sagen, „groben Suchlauf“, die Frage, von welcher Eisenbahnstation aus ein Angebot möglich wäre. Dabei sollten sich die Vorteile einer Seilbahn, vor allem die leichte Überquerung von Hindernissen (Tälern, Flüssen und sensiblen Bereichen), mit einem aus verkehrlichen Gründen sinnvollen Netzlückenschluss kombinieren lassen.

Schwierige Auswahl

In der Untersuchung von 150 Eisenbahnstationen in der Region identifizierten die Experten acht Korridore, in denen der Einsatz von Seilbahnen denkbar wäre. „Selbst bei dieser Auswahl bleibt festzuhalten, dass jeder Korridor seine eigenen Herausforderungen aufweist und keiner uneingeschränkt empfohlen werden kann.“ Bei ihnen könne sich aber ein „zweiter Blick“, also eine vertiefende Untersuchung mit den Kommunen, als sinnvoll erweisen.

Den Einsatzmöglichkeiten in der Region seien aber enge Grenzen gesteckt, dämpft die Region allzu hochfliegende Seilbahnpläne. Sie sieht bei Verbindungen, die innerhalb einer Stadt liegen, die Kommune am Zug. Selbst will sie sich nur beteiligen, wenn die Seilbahn Markungsgrenzen überschreitet, nicht in Konkurrenz zu bestehenden ÖPNV-Angeboten steht und sich auf das Schienenangebot positiv auswirkt.

Gute Noten für Linie Böblingen-Breuningerland

Vergleichsweise positiv beurteilt wird eine Linie von Böblingen übers Daimler-Werk und Sindelfingen zum Breuningerland. Hier sei ein hohes Fahrgastpotenzial zu erwarten, zudem könne eine Seilbahn, die das Flugfeld, die A 81 und das Daimler-Werk „überfliegt“, ihre Stärke ausspielen und für kürzere Reisezeiten als Busse und Bahnen sorgen.

In Konkurrenz zu den Überlegungen, vom Airport eine Bahnstrecke ins Neckartal für S-Bahnen oder Regionalzüge einzurichten, steht der Korridor Neuhausen-Oberesslingen. Er könnte vom ab 2026 nutzbaren S-Bahn-Halt Neuhausen über den Scharnhauser Park, Nellingen und Festo zum Bahnhof Oberesslingen führen.

Strecken in Esslingen

In Esslingen könnten sich die Planer gleich mehrere Verbindungen vorstellen: von der S-Bahn-Station Mettingen hinauf nach Ostfildern-Ruit, wo die Stadtbahn hält; vom Esslinger Bahnhof zur Burg oder zur Neckarhalde als Alternative zur überlasteten Straßenverbindung, die auch den Busverkehr behindert; vom Esslinger Bahnhof über die B 10 und den Neckar zur Pliensauvorstadt. In Stuttgart hält die Region eine Verlängerung der Seilbahn zum Pragsattel bis zum Bosch-Krankenhaus und zum Burgholzhof für denkbar.

Mit der Seilbahn zur Arbeit?

Auch bei der Anbindung des Gewerbestandorts Schwieberdingen (Bosch, künftig Porsche) könnte eine Seilbahn eingesetzt werden. Ausgangspunkte könnten eine Station an der noch zu reaktivierenden Eisenbahnstrecke Markgröningen-Möglingen oder an der Strohgäubahn in Schwieberdingen oder Münchingen sein. Allerdings formulieren die Planer deutlich Bedenken, die auch für die anderen Verbindungen mehr oder wenig stark gelten: das Überschweben von privaten Grundstücken mit Wohnhäusern und die Orientierung an bestehenden Straßenzügen.

FDP bringt Untersuchung auf den Weg

Die FDP-Fraktion hatte in ihrem Antrag auch gefordert, dass für erste Vorplanungen 100 000 Euro bereitgestellt werden, dafür aber in den Etatberatungen vor einem Jahr keine Unterstützung gefunden. Allerdings gab es eine Mehrheit dafür, dass geprüft werden soll, „in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Eisenbahnverkehrsstationen mit Seilbahnen besser als heute mit umliegenden Gebieten verknüpft werden können“. Das Ergebnis ist nun bekannt. Beraten wird im Verkehrsausschuss am 14. Oktober..

Vor- und Nachteile von Seilbahnen

Technik: Bei Umlaufseilbahnen mit mehreren Kabinen braucht es keinen Fahrplan. Je nach System können acht bis 35 Personen pro Kabine transportiert werden mit Geschwindigkeiten zwischen 20 und 30 km/h. Pro Stunde können je Richtung zwischen 3000 und 4000 Personen fahren. Pro Kilometer ist mit Kosten von 3,5 bis 20 Millionen Euro zu rechnen.

Vorteile: wenig Verbrauch an Bodenfläche, geringe Baukosten und kurze Bauzeit, schnelle Überwindung von Höhenunterschieden und Barrieren wie Flüssen, Tälern und Autobahnen, auf eigener Trasse keine Störung durch andere Verkehrsmittel, durch stetes Fahrtangebot geringe Wartezeiten, nahezu geräuschlos, keine Abgase, kein Lärm.

Nachteile: langsamer als Bahnen und Busse, Linienwahl eingeschränkt, weil Zwischenhaltestellen möglichst direkt in Luftlinie von End- und Startpunkt liegen sollten (ansonsten teure Umlenkstationen); Störung des Stadtbilds, Störung von Anwohnern, Wartezeiten bei großem Andrang, hohe Betriebskosten durch Aufsichtspersonal, Wartung und windbedingten Stillstand, Wartung nicht bei laufendem Betrieb, Störung stoppt gesamtes System, Barrierefreiheit problematisch.