Die Backnanger Innenstadt war schon am Eröffnungsabend gut besucht. Foto: Gottfried Stoppel

Backnang startet ins 53. Straßenfest – mit politischem Klartext, Stadtwette, Promibesuch und viel Heimatgefühl.

S o viel ist sicher: Verschlafen wird den Auftakt von Backnangs „fünfter Jahreszeit“ keiner. Kaum zeigt der Stadtturm 19 Uhr, donnern die Böllersalven der Schützengilde durch die Backnanger Innenstadt und machen jedem in Hörweite unmissverständlich klar: Jetzt ist Straßenfest, jetzt wird gefeiert.

Der Backnanger OB kritisiert im Arztkittel die Schließung der örtlichen Notfallpraxis. Foto: Gottfried Stoppel

Bevor Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zum Schlegel greift, um schwungvoll das Bierfass anzuzapfen und für kühle Erfrischung zu sorgen, hält er im weißen Arztkittel auf der großen Bühne an der Marktstraße launig, pointiert seine wohl wichtigste Ansprache des Jahres – die auch an Kritik nicht spart. Anlass ist die bevorstehende Schließung der Notfallpraxis in Backnang: „In Backnang wurde uns etwas gestrichen, was uns allen sehr weh tut.“ Über 430 000 Menschen im Rems-Murr-Kreis bleiben nun ohne nennenswerte ambulante Notfallversorgung, warnt er. Dass die Politik trotz aller berechtigter Kritik nicht eingreift, sei „zutiefst enttäuschend“. Pointiert ergänzt er: „Wenn Sie also in Backnang einen Arzt sehen wollen, dann schalten Sie am besten in der ARD ‚In aller Freundschaft‘ oder im ZDF den ‚Bergdoktor‘ ein.“ Neben der Kritik setzt Friedrich aber auch auf Gemeinschaftssinn – mit einer Stadtwette, bei der 150 Menschen in Lila und Orange am Montag um 13 Uhr das Riesenrad füllen und Wolle Kriwaneks VfB-Hymne anstimmen sollen: „Farbenfrohe Höhenmedizin mit freiwilliger Stimmabgabe.“

Das beste Heilmittel gegen Frust und Politikverdrossenheit sei „Musik, Gemeinschaft und ein kühles Getränk“, meint Friedrich. Und: „Die wirksamste Therapie ist genau das, was wir heute hier erleben – Fröhlichkeit, schöne Begegnungen und ein prall gefülltes Festprogramm.“

„Haben Sie mich an der Nase erkannt?“ Cem Özdemir schaute auf seiner Wahlkampftour auf dem Straßenfest vorbei. Foto: Gottfried Stoppel

Ein Rezept, dem auch Cem Özdemir gern folgt. Der Grünen-Politiker, der inzwischen für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert, mischt sich am Eröffnungsabend unter die Besucher – im Gespräch mit Ehrenamtlichen, im Wahlkampfmodus, locker und stets bereit für ein Selfie. Am Getränkestand vom Hofgut Hemmes aus der Pfalz kommt Özdemir mit Thomas Höllmüller ins Gespräch, der dort den Ausschank übernimmt. „Haben Sie mich an der Nase erkannt?“, fragt Özdemir augenzwinkernd. Höllmüller lässt die Frage unbeantwortet, öffnet ein Fläschchen und spendiert dem „netten Mann“ ein Glas Pfirsich-Secco. „Ich geb ihm gern einen aus – und das, obwohl mein Chef daheim Stadtrat bei der CDU ist“, sagt der Mundschenk später schmunzelnd. Beim Straßenfest, so Höllmüller, feiere man schließlich über die Parteigrenzen hinweg.

Um das, was sich auf dem Grillspieß dreht, geht es nebenan beim Stand von Maik Dehner und seiner „Hendl & Hax’n Braterei“. Der Burladinger war schon mehrmals auf dem Straßenfest dabei und kommt ob der Hitze in seinem Grillwagen ordentlich ins Schwitzen. „Besser schwitzen als frieren!“, sagt er und lacht. Sein kulinarisches Angebot findet reichlich Abnehmer. „Manche kommen drei, vier Mal über die Festtage vorbei“, freut sich Dehner.

Gute Laune herrscht unterm Backnanger Stiftsturm. Foto: Gottfried Stoppel

Auch für den gebürtigen Backnanger Sebastian Vonnahme gehört eine Schweinshaxe zum Straßenfest-Menü. Der Besuch beim Straßenfest sei ein Fixtermin in seinem Kalender: „Hier treffe ich Klassenkameraden, Bekannte und Verwandte. Ich komme bestimmt auch die nächsten Jahre her, wenn ich nicht krank werde.“ Obendrein ist er bei der DLRG aktiv und sorgt beim traditionellen Entenrennen an der Murr mit für Sicherheit.

So sicher wie das Amen in der Kirche ist für Heiderose und Walter Leibold der Besuch am Stand der Gäste aus Annonay. Auch Vertreter aus den Partnerstädten Chelmsford und Bácsalmás sind wieder mit dabei. Für die Leibolds sind die Aprikosen von Dominique Tardy aus Annonay ein absoluter Leckerbissen. Das Fest ist eine besonderes „Spectacle“, hier feiere die ganze Stadt, sagt der Franzose. Walter Leibold lacht – und greift zu: „Die nehmen wir mit nach Hause. Alles andere wird hier vor Ort gegessen und getrunken.“ Die Stärkung kann nicht schaden: Leibold spielt Saxofon beim Städtischen Blasorchester, war schon 49 Mal beim Zapfenstreich dabei – und wird es auch am Montagabend wieder sein, wenn das 53. Backnanger Straßenfest um 23 Uhr mit einem Trompetensolo musikalisch ausklingt.