So stellt sich der Radentscheid die Zukunft im Sattel vor. Foto: Radentscheid Stuttgart - Radentscheid Stuttgart

Die „Hauptradroute 1“ quer durch Stuttgart ist nur auf wenigen Abschnitten tauglich, dem politischen Willen und dem wachsenden Radverkehr gerecht zu werden.

StuttgartBis zu 25 Prozent des Verkehrs in der Stadt sollen langfristig Radfahrer stemmen. Das steht in einem Grundsatzbeschluss des Gemeinderats vom Februar dieses Jahres und das ist auch eine der Vorstellungen der Initiative Radentscheid, die an diesem Dienstag im Rahmen des Radforums mit Vertretern des Gemeinderats und der Stadt darüber diskutiert.

Das Ziel ist hehr, der Weg dahin aber eher bedächtig. Wenn wirklich ein Viertel aller Fahrten mit dem Rad zurückgelegt werden sollen, müssen dazu auch die Bedingungen stimmen. Es geht schließlich nicht um Freizeitradeln, sondern um Berufsverkehr. Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt, möchte natürlich so schnell und sicher wie möglich unterwegs sein. Dies geht aber nur dann, wenn man sich als Radfahrer auf exklusiven Bereichen, also baulich vom Rest des Verkehr getrennten Radwegen, bewegen kann. Davon ist die Situation in Stuttgart weit entfernt, obwohl die Zahl der Radfahrten immer weiter zunimmt. Das gilt auch für das Prestigeobjekt „Hauptradroute 1“. Der sogenannte Tallängsweg verbindet auf knapp 20 Kilometern die Rohrer Höhe mit Bad Cannstatt. Der Weg ist beschildert, aber im Praxistest nicht das, was man sich unter dem Begriff Hauptradroute vorstellt, also eine exklusive Radstrecke von West nach Ost quer durch die Stadt.

Das fängt schon beim Start in der Waldburgstraße auf der Rohrer Höhe an. Wer abwärts Richtung Stadt fährt, rollt auf der ganz normalen Autostraße. Es gibt keinen Radweg, einen Schutzstreifen hat nur die Gegenrichtung bergauf. In Vaihingen fährt man dann über die Robert-Koch-, die Emilien- und die Herrenberger Straße über Busspuren, ungeschützte Radstreifen und gemeinsame Fußgänger- und Radwege zum Schillerplatz, wobei der Fuß-/Radweg an der Herrenberger Straße direkt vor der Post an gefühlt 365 Tagen im Jahr zugeparkt ist.

Besser wird es in der Kaltentaler Abfahrt. Bis hinunter zum Südheimer Platz flitzt man entweder über einen Radweg oder über etwas schmälere, aber geschützte Radstreifen. Hier dürfen weder Autos noch Fußgänger die Fahrt behindern. Das endet aber abrupt auf Höhe der Stadtbahnhaltestelle Vogelrain. Von rechts dürfen Fußgänger gleichberechtigt in die Hauptradroute, viele kommen an dieser Stelle von einer beliebten Hundegassistrecke. Ein mehr als krummes Eck – und bei Zunahme des Radverkehrs ein künftiger Unfallschwerpunkt. Danach quert die Route die Burgstallstraße, um wieder auf der ganz normalen Straße weiterzuführen. Im Bereich der Matthäuskirche und des Marienplatzes wird es dann richtig eng. Die Route führt sogar immer wieder durch kurze Stücke Fußgängerzonen. Hier sind die Radler rechtlich aber nur geduldet, es darf nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden, was mutmaßlich keiner tut.

Vom Marienplatz aus hat dann wieder der Radler mehr Rechte. Die Tübinger Straße ist als Radfahrstraße ausgewiesen, später auch noch Teile der Eberhardstraße. Hier dürfen Radler nebeneinander fahren, Autos sind nur geduldet, was aber offenbar viele nicht wissen. Unter der Paulinenbrücke endet das Radlerglück, zusammen mit Autos und Fußgängern kämpft man sich durch bis zur nächsten Radpriorität in der Eberhardstaße und dann weiter am Dorotheenquartier vorbei Richtung Staatstheater. Das ist alles, nur kein Spaß, und wer einmal die nicht ampelgetaktete Querung der B 27 am Charlottenplatz regelkonform und im Schneckentempo gemacht hat, fährt künftig wieder mit dem Auto zur Arbeit oder sucht einen anderen Weg über die Kreuzung. Im Schlossgarten ist dann wieder ein kleines Stück exklusiv für Radfahrer, danach geht es mit mal mehr, mal weniger Fußgängerbeteiligung am Leuze vorbei weiter bis zum Cannstatter Wilhelmsplatz. Von da an haben dann die Radler wieder bis zur Stadtgrenze an der Theodor-Heuss-Kaserne zumindest eine exklusive Spur.

Am Ende der knapp 20 Kilometer ein paar Erkenntnisse: Eine schnelle und sichere Verbindung durch die Stadt, was eine Hauptradroute ja sein soll, müsste in weiten Teilen der Strecke anders aussehen. Zudem sind etliche Engstellen jetzt schon so unübersichtlich und frequentiert, dass sie die angestrebten Wachstumsraten unmöglich aufnehmen können. Zumindest nicht im Berufsverkehr.