Birger Meierjohann hält das winzige Vögelchen vorsichtig in der Hand. Foto: Andreas Essig

74 Gramm leicht und 58 Millimeter Flügellänge: Ein winziges Steinkauz-Küken in Asperg wird beringt und vermessen. Das dient dem Artenschutz – ist aber auch ganz schön süß.

Das Steinkauz-Baby guckt ein bisschen verschlafen. Kein Wunder, man hat es ja auch gerade aus seiner Nisthöhle geholt. Etwas verwuschelt sieht es aus, gut verpackt in seine winzigen flauschigen Federchen. Eine ganz kleine Handvoll Vogel. Es gibt wohl nur ein Wort, das das Tierchen beschreibt: süüüüüüüß.

Birger Meierjohann ist der Mann, der den kleinen Vogel auf einer Streuobstwiese bei Asperg in den Händen hält. Ganz vorsichtig und routiniert geht er mit dem wuscheligen Küken um. Meierjohann ist zweiter Vorsitzender der „Foge“, der Forschungsgemeinschaft zur Erhaltung einheimischer Eulen im Landkreis Ludwigsburg. Dort ist er seit vergangenem Jahr für die Koordination des Steinkauz-Beringungsprojekts zuständig.

Der Steinkauz war im Landkreis fast ausgestorben

Und genau das hat er an diesem Tag vor: Der kleine Steinkauz auf dem Asperger Obststückle soll einen Ring um den Fuß bekommen. Der kleine Metallring dient zur Artenschutzforschung und zum Monitoring der Bestände. Als Herbert Keil Ende der 1980er Jahre die Foge gründete – er ist bis heute ihr erster Vorsitzender –, gab es gerade mal acht Steinkauz-Brutpaare im ganzen Landkreis Ludwigsburg.

Die kleine Eulen-Art stand kurz vor dem Aussterben, es fehlten unter anderem Brutmöglichkeiten. Herbert Keil und seine Mitstreiter initiierten ein Nistkastenprojekt. Gemeinsam mit dem Nabu betreibt die Foge inzwischen mehr als 1000 Nistmöglichkeiten im Landkreis. Darin brüten heute rund 300 Steinkauz-Paare.

58 Millimeter sind die Flügel des Kükens lang. Foto: essigfoto.de

Eines davon hat sich eben in jener Nisthöhle bei Asperg niedergelassen, nachdem diese zuvor zwei Jahre leer stand. Vor Kurzem schlüpfte dann ihr Nachwuchs. Ein Einzelkind. Normalerweise bringen Steinkauz-Eltern drei bis fünf Junge zur Welt. Aber das variiert mit den Jahren und kommt unter anderem darauf an, wie viel Futter es gibt. Steinkäuze lieben unter anderem Feldmäuse und diese unterliegen starken Populationsschwankungen.

Ein weiterer Grund für das Einzelkind-Dasein des jungen Vogels könnte sein, dass seine Eltern noch recht jung sind. „Ich gehe davon aus, dass es sich um einjährige Steinkäuze aus unserem Projektgebiet handelt“, sagt Birger Meierjohann. Also Vögel, die zum ersten Mal Nachwuchs haben.

Mit einer Leiter klettert der Steinkauz-Experte auf den Baum mit der Brutröhre und guckt hinein. Die Eltern des Kükens sind ausgeflogen, sonst hätte er auch ihre Beringung für das Monitoring checken können. Behutsam holt Meierjohann den kleinen Vogel aus seinem Nest und bringt ihn nach unten.

Wie alt ist der kleine Steinkauz?

Dort angekommen, geht alles recht schnell. Die kleine Federkugel bekommt ganz vorsichtig den Ring um das Füßchen. Das Metallteil, in das eine Nummer eingraviert ist, wiegt etwa zwei Gramm. „Das ist, wie wenn wir eine Armbanduhr tragen.“ Meierjohann stellt sicher, dass nichts zwickt oder reibt und beginnt, den kleinen Steinkauz zu vermessen: 58 Millimeter sind seine Flügel lang, die Teilfeder, aus der sich nachher das Alter des Tiers ableiten lässt, misst 20,8 Millimeter. Der Foge-Vize errechnet, dass der Mini-Vogel 17 Tage alt ist.

Dann geht es noch auf die Waage. 74 Gramm ist das Kerlchen leicht. Das überrascht Birger Meierjohann etwas. Er hatte mit etwa 100 Gramm gerechnet, weil Einzelkinder bei Steinkauzens in der Regel mehr auf den Rippen haben als wenn es mehrere Geschwister sind. Der Grund ist logisch: Hat ein Elternpaar viele hungrige Mäuler zu stopfen, kann es sein, dass der Einzelne weniger von Feldmaus und Co. abbekommt.

Das nicht ganz so hohe Gewicht sollte für den kleinen Steinkauz aber kein Problem darstellen, sagt der Experte und bringt den flauschigen Kerl zurück in seine Bruthöhle. Das Vögelchen hat die Prozedur übrigens mit stoischer Ruhe über sich ergehen lassen. Kein Zetern, kein Zittern, er oder sie – das Geschlecht kann man erst später bestimmen – hat sich mit halb geschlossenen Augen beringen und vermessen lassen.

Steinkauz-Eltern: Unsichtbare Wächter des Nachwuchses

Auch von den Steinkauz-Eltern war weder etwas zu sehen noch zu hören. Birger Meierjohann ist sich sicher, dass sie irgendwo im Gebüsch saßen „und uns zugeschaut haben“. Sobald alle Menschen wieder von der Streuobstwiese verschwunden sind, würden sie wieder zurückkommen. Sobald die Dämmerung eintritt, werden sie auf die Jagd gehen und ihrem Nachwuchs Futter bringen.

Und dann dauert es nicht mehr lang, bis das Küken immer größer und aktiver wird. Kameraaufnahmen aus anderen Bruthöhlen zeigen, dass die kleinen Steinkäuze anfangs hauptsächlich schlafen und fressen und später dann beginnen, mit den Flügelchen zu schlagen. „Dann rennen und flattern sie da in der Röhre herum“, erklärt Birger Meierjohann. Etwa mit 30 Tagen wird die Mini-Eule ihre ersten kleinen Strecken fliegen.