Mit einem Glas Wein die Viren vertreiben? Zu schön um wahr zu sein. Foto: Imago/Eugenio Marongiu

Ein französisches Wein-Magazin stellt eine gewagte These auf. Belegen lässt sie sich nur sehr bedingt. Doch für einen kurzen Moment geben sich Weintrinker doch gern der Illusion hin.

Paris - Wein ist ein wahres Wundermittel. Ein Gläschen wirkt entspannend auf Körper und Geist, im Kreis von guten Freunden genossen vertreibt er schlechte Laune, und er soll sogar gegen Herzinfarkt vorbeugen. Angesichts dieser vielfältigen Anwendungsgebiete ist es wenig erstaunlich, dass in diesen Tagen auf einer französischen Internetseite vermeldet wird, dass der Genuss von Wein auch gegen eine Infektion mit dem Coronavirus schützen soll. Und seien wir doch ehrlich: Irgendwie hatte es die Welt der Weintrinker geahnt – oder zumindest gehofft.

In Zeiten von Fake-News ist es allerdings ratsam, im Umgang mit solch bahnbrechenden Informationen eher vorsichtig zu sein – zumal wenn sie von einer Fachpublikation mit dem Namen „Vitisphère“ (auf Deutsch etwa: In der Sphäre des Weinbaus) verbreitet wird, eine Internetseite der französischen Wein-Lobby. Dort war zuerst folgende optimistisch stimmende Überschrift zu lesen: „Eine neue Studie bestätigt, dass Wein vor Covid-19 schützt“. Kurz darauf fanden die Leser dann allerdings eine geänderte Überschrift vor. Nun steht über dem Artikel: „Eine neue Studie stützt die Hypothese einer Schutzwirkung von Verbindungen in Wein gegen Covid-19“. Die Sachlage scheint also doch nicht so eindeutig zu sein.

Das Weinland Frankreich ist über die Theorie entzückt

Basis der anfänglich sehr steilen These von „Vitisphère“ ist eine Studie der Medizinischen Universität von Taiwan. Wissenschaftler der chinesischen Insel hätten herausgefunden worden, „dass die Tannine im Wein die Aktivität von zwei Schlüsselenzymen des Virus wirksam hemmen und dieser dann nicht mehr in das Zellgewebe eindringen kann“. Untersucht hatten die Forscher unter anderem, die Wirkung von Gerbsäure, die zur Familie der Tannine gehört und die in Beeren (also auch Weinbeeren), Hülsenfrüchten, Bananen oder auch Baumrinde enthalten ist.

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Im Wein-Land Frankreich wurde diese Botschaft natürlich mit großer Freude aufgenommen. Doch seriöse Wissenschaftler bremsen die Euphorie. Die im Labor nachgewiesene Wirkung lasse auf keinen Fall den Schluss zu, dass das Trinken von Wein das Risiko vermindere, sich mit dem Coronavirus zu infizieren und an Covid-19 zu erkranken, warnen sie.

Seit vielen Generationen würden sich Forscher über Petrischalen und Mikroskope beugen, um zu untersuchen, welchen Einfluss unterschiedlichste Substanzen auf die Prozesse in der Natur haben, erklärt der Genetiker Axel Kahn die französische Öffentlichkeit auf. Immer wieder würden dann Lobby-Gruppen, vor allem aus der Tabak- und Alkoholindustrie, einige ihnen genehme Ergebnisse herauspicken und die oft sehr spezifischen Aussagen auf unzulässige Weise verallgemeinern. So auch in diesem Fall. Fazit: Wein hat zwar manch gute Eigenschaften, als Mittel gegen Corona taugt er allerdings herzlich wenig.