Das Therapieangebot für Kinder und Jugendliche mit Autismus reicht nicht aus. Foto: Gottfried Stoppel

Seit Jahren steigt die Zahl der Kinder, die eine Autismus-Spektrums-Störung diagnostiziert bekommen. Das ist weltweit der Fall – auch in Stuttgart. Die hiesigen Therapiestellen sind überlaufen. Die Stadt will die Situation für Schulkinder verbessern.

In Stuttgart gibt es immer mehr Familien, die ein Kind mit einer Autismus-Spektrums-Störung großziehen. Weltweit steigt die Zahl der Diagnosen – und diese Entwicklung zeigt sich auch in der Landeshauptstadt. Früher sei Autismus eine „ganz seltene Diagnose“ gewesen – mittlerweile seien alle Ärzte und Therapeuten im SPZ mit diesen Kindern befasst, „weil es so viele geworden sind“, sagte die Oberärztin Barbara Ladwig vom Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) des Olgahospitals des Klinikums Stuttgart jüngst im Beirat für Menschen mit Behinderung, der sich vor dem Hintergrund des Mangels an Therapieplätzen mit dem Thema Autismus bei Kindern befasst hat.

Das SPZ, das inzwischen rund 10 000 junge Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichsten Erkrankungen, Entwicklungsstörungen und Behinderungen behandelt, ist eine der Hauptanlaufstellen zur Diagnosestellung auch für Kinder mit einer Autismus-Spektrums-Störung. Allerdings, das wurde im Beirat auch deutlich, ist es inzwischen schwer, einen Termin im SPZ zu bekommen. Wegen der hohen Patientenzahl sind die Wartezeiten lang.

Die Diagnostik bei Autismus-Spektrumsstörungen sei „sehr umfangreich“, so Ladwig. Sie macht mehrere Faktoren für den Anstieg bei den Diagnosen verantwortlich: genetische genauso wie Umweltfaktoren, zudem sei das Störungsbild heute einfach besser bekannt. Hätten 1966 laut Studien nur rund 5,5 von 10 000 Menschen die Diagnose erhalten, waren es 2016 schon einer von 100. 2024 erhielten zwei Prozent diese Diagnose – in den USA seien es sogar drei Prozent der Achtjährigen gewesen, eine Größenordnung, die Ladwig nicht überrascht. „Das ist etwas, das wir im Alltag spüren“, sagt die Expertin, die betont: „Das ist nicht nur ein Thema für die Medizin.“ Häufig benötigten die Betroffenen lebenslang eine intensive Unterstützung. Generell gelte: die Förderung sollte „so früh und so gezielt wie möglich“ stattfinden.

Doch in Stuttgart seien die Familien mit „langen Wartezeiten“ konfrontiert, das machte eine Vertreterin des Gesundheitsamts deutlich – sei es beim SPZ, in den Frühförderstellen oder bei den Therapieangeboten wie vom sehr stark angefragten Zentrum für Autismus-Kompetenz Stuttgart (Zaks). Es gebe „zu wenig“ Therapie- und Betreuungsplätze für die Kinder.

Wie damit umgehen? Das hat man sich bei der Stadt gefragt. Für Kinder im Kita-Alter gibt es immerhin noch eine Zentrale Informations- und Beratungsstelle (Zib). Das ist die erste Anlaufstelle in Stuttgart rund um das Thema Inklusion in der Kindertageseinrichtung. Ziel des Gesundheitsamts ist es, auch eine Zib für Kinder im Schulalter einzurichten – diese wäre dann nicht nur für die Eltern, sondern auch für Lehrkräfte eine Anlaufstelle. Die ZiB könne Soforthilfe bieten, vermitteln, bei Problemen mit der Schule moderieren, Fortbildungen anbieten. Auch ein Therapeutennetzwerk könnte aufgebaut werden, hieß es aus dem Gesundheitsamt. Stuttgarts Beauftragte für Menschen mit Behinderung, Jennifer Langer, befürwortet eine Zib für Kinder im Schulalter. Sie kündigte im Beirat an, die Zib wegen der nötigen Finanzierung in ihr nächstes Inklusionspaket aufzunehmen.

Vortrag zur Stressverarbeitung

Autismus
„Autismus – Stressverarbeitung und Kommunikationshindernisse bei Betroffenen“ lautet der Titel eines Vortrags am Donnerstag, 22. Mai, um 17 Uhr, zu dem die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) einlädt. Referent ist der EUTB-Berater Rudolf Bede, der selbst eine Autismusdiagnose hat. Der Vortrag richtet sich an Betroffene, Angehörige, Fachkräfte und Arbeitgeber. Nach dem rund 30- bis 40-minütigen Vortrag besteht die Möglichkeit zum Austausch. Die systemische Therapeutin Britta Schade moderiert. Die Teilnahme ist kostenfrei, sie erfolgt online per Zoom. Eine Anmeldung per E-Mail an eutb@zsl-stuttgart.de ist erforderlich. Der Zugangslink wird nach der Anmeldung zugeschickt.