Schrittzähler auf dem Smartphone – sie motivieren manche zum Spaziergang, andere fühlen sich eher abgeschreckt. Foto: Werner Kuhnle

Die Schritte-Challenge von Rathäusern im Kreis Ludwigsburg könnte Nachahmer finden. Die Bewegungs-Apps bringen offenbar immer mehr Menschen zusammen.

Auf los geht’s los – und zwar, bitte schön, auf Schusters Rappen. In den Rathäusern von Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen sowie im Landratsamt bleiben Computer, Akten und Putzlappen öfter mal links liegen. Vier Wochen lang heißt es, möglichst viele Schritte auf Smartphones zu sammeln. Dahinter steht die Schritte-Challenge der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg (AGFK-BW).

Begonnen hat der Schritte-Wettbewerb zwischen 27 Landkreisen, Städten und Gemeinden am 7. März. Er bringt vier Wochen lang frischen Wind in die Amtsstuben mit ihren sitzgeplagten Bürokräften. In die Gänge kamen bei der ersten Auflage im Vorjahr immerhin 2700 Mitarbeiter in 381 Teams, es beteiligten sich 21 Kommunen. Dabei entstanden nach Angaben der AGFK rund 600 Millionen Schritte. „Das entspricht der dreifachen Erdumrundung“, teilt eine AGFK-Sprecherin stolz mit. Bei damals noch drei Laufzeiten gab es auch drei Sieger: Neckarbischofsheim, Singen und den Landkreis Karlsruhe.

Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen

In den Rathäusern von Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen ist nach der ersten Teilnahme im Vorjahr nun offenbar richtiges Wettkampffieber ausgebrochen. Wer macht die meisten Schritte? Gezählt wird per App, wie es sie auf jedem Smartphone gibt. Aktuell liefern sich Bietigheim-Bissingen mit Rang zehn und die Kreisstadt mit Platz elf ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen. Das Landratsamt Ludwigsburg nimmt zum ersten Mal teil und liegt auf Platz 17.

Ganz entspannt sieht der Bietigheimer Hauptamtsleiter Timo Schenk den Wettbewerb. „Uns geht es ja vor allem um die Gesundheit – viele Mitarbeiter sitzen: Wenn sie öfter mal aufstehen und sich in ihrem Schritte-Team gegenseitig zur Bewegung motivieren, erfüllt die Aktion ihr Ziel.“ Schenk ermutigt, sich mit Kollegen bei einer Tasse Kaffee über die Rolle des Zu-Fuß-Gehens auszutauschen. Zwölf Teams mit jeweils drei bis zehn Personen seien am Start. Die Teilnahmequote stimmt ihn zufrieden: „Wir haben etwa 100 Teilnehmer bei rund 1000 Beschäftigten.“ Oft fixten einzelne Angestellte, etwa im Kindergarten, ihre Kollegen an, die dann gemeinsam ein Team bildeten.

Jedes Team erhält zur Belohnung einen Obstkorb

Persönliche Daten werden nicht veröffentlicht, wohl aber die tägliche Teamleistung. Gleichwohl sollten die Fußgänger ihr Abschneiden nicht zu ernst nehmen. Falschem Ehrgeiz wirkt die Bietigheimer Verwaltung mit einer Preisverleihung entgegen, bei der der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles“ im Vordergrund steht. Jeder erhalte eine Urkunde und jedes Team das gleiche Präsent: einen Obstkorb.

Einen Ticken sportlicher organisiert die Stadt Ludwigsburg ihre Schritte-Challenge. Die besten drei Siegerteams erhalten neben der Urkunde noch ein Geschenk. „Wir wollen die Anstrengung schon ein bisschen belohnen“, sagt Matthias Knobloch, der Mobilitätsbeauftragte der Stadt. Dass ein Vollzugsbeamter beim Verteilen von Knöllchen mehr Meter zurücklegt als ein IT-Techniker beim Tüfteln am Computer, sieht Knobloch ein. „Naturgemäß liegt das Ordnungsamt vorne – aber wir setzen auch auf einzelne Verschiebungen beim Ranking: Wer sein Team mit einem drei Kilometer langen Abendspaziergang nach vorne bringen will, hat dazu Gelegenheit.“ In Ludwigsburg treten 48 Teams mit etwa 760 Teilnehmern an. Insgesamt sind 2000 Personen bei der Stadt beschäftigt.

Der Durchschnittswert ist für die Platzierung relevant

Und warum liegt das zahlenmäßig überlegene Ludwigsburger Team nicht vor den Bietigheimern? Die Antwort gibt die Sprecherin der AGFK-BW: „Es wird der Durchschnittswert des Einzelnen ermittelt – sonst wären größere Städte ja klar im Vorteil.“ Hinter dem unterhaltsamen Wettbewerb stehe ein ernstes Anliegen. Der Fußgänger solle bei den Verkehrsplanungen der Kommune stärker beachtet werden. „Flanieren und Spazieren kann man fördern – oder weiter an der autofreundlichen Innenstadt der 1950er Jahre festhalten.“ Ziel der AGFK-BW sei, den Fuß- und Radverkehr zu unterstützen und dieser Mobilität mehr Raum zu geben.

Bei aller Politik scheint der Spaßfaktor in den Verwaltungen nicht zu kurz zu kommen. Teamnamen wie „Der laufende Meter“ für das Ludwigsburger Stadtarchiv oder „Forderungsmarsch“ der Finanzabteilung sprechen ebenso Bände wie der Name „Blitzfuß“ der Verkehrskontrolleure. In Schorndorf war im Vorjahr „Schritt happens“ am Start.

Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach findet die Idee „toll“

Der alte Witz „Was ist Beamtenmikado? Wer sich zuerst bewegt, hat verloren“ scheint auch durch den Wettbewerb überholt. Ist die Challenge auch etwas für Einrichtungen und Unternehmen? „Tolle Idee“, findet Steffen Schmidt, Verwaltungschef des Deutschen Literaturarchivs in Marbach. Auch dort dürfte jede Form von Bewegung willkommen sein.

Welche Ziele verfolgt die AGFK-BW?

Netzwerk
 Die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg (AGFK-BW) ist ein Netzwerk von 114  Landkreisen, Städten und Gemeinden. Dort leben nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft inzwischen rund 80  Prozent aller Menschen in Baden-Württemberg. Der Verein setzt sich dafür ein, dass Fuß und Rad in der Mobilität die erste Wahl sind. Bis zum Jahr 2030 sollen die Hälfte aller Wege in den Kommunen mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden.

Wettbewerb
 Neben 27 Mitgliedskommunen der AGFK-BW nehmen an der zweiten Auflage in diesem Jahr die AGFK-Geschäftsstelle in Mecklenburg-Vorpommern und das hessische Pendant teil. Die Challenge könnte auf andere Bundesländer ausgedehnt werden.