Im Museum in Stuttgart geht’s rund. Foto: Lichtgut/Rettig

Einmal im Leben die legendäre Solitude-Strecke im Renntempo durchfahren. Im Stadtpalais ist das jetzt möglich. Da erwacht das Kind im Manne – und Erinnerungen kommen hoch.

Stuttgart - Im Salon Sophie im Stadtpalais ist in der zurückliegenden Woche gebohrt und gehämmert worden. Videoleinwände und großformatige Schwarz-Weiß-Fotos wurden aufgehängt, Leitplanken installiert. Aber so ist das eben, wenn man einen Mythos wiederbeleben will. Da muss erst mal geschafft werden, ganz zu schweigen von der gedanklichen Vorarbeit, die die Kuratoren Hans-Joachim Ogger, Tobias Aichele und Claus-Henning Guthard geleistet haben, allesamt begeisterte Freunde betagter Rennwagen.

Bis zu 400 000 Menschen pilgerten ins Mahdental

Der eigentliche Clou der Ausstellung „Mythos Solituderennen“ dürfte neben einem Porsche 804, Baujahr 1962, und einer BMW R 68, Baujahr 1952, eine Carrera-Rennbahn sein. Im Maßstab 1:32 kann man sich im Salon Sophie an jener Strecke versuchen, über die so mancher altgedienter Rennfahrer heute noch ins Schwärmen gerät. Aber Obacht, nicht von den Rennszenen auf den Leinwänden ablenken lassen. Bis zu 400 000 Menschen waren in den Hochzeiten der Solituderennen ins Mahdental gepilgert, die meisten zu Fuß. „Die mit dem Auto kamen, durften ihre Wagen an der Autobahn abstellen“ erinnert sich Kurator Guthard, der die Rennen als Bub miterlebt hat.

In seinem Porsche fühlt er sich wohler

Frage an Eberhard Mahle, 88, der die Strecke aus der Fahrerperspektive kennt: Wie kommt er mit einer Modellrennbahn klar? Oje, das sei schon ewig her, sagt Mahle, dass er sich damit beschäftigt habe. Hinter dem Steuer seines Porsche fühle er sich wohler. Wiewohl er es mit seinen 88 Jahren inzwischen langsamer angehen lasse. Bei historischen Rennen setze er sich nicht mehr hinters Steuer – anders als beim Solitude Revival 2017, als der Autor die Ehre hatte, in einem silberfarbenen Porsche 356 Carrera GT, Baujahr 1960, neben dem Senior Platz nehmen zu dürfen. Über die Mitfahrgelegenheit war in der Zeitung zu lesen: „Was nun kommt ist, soweit der Beifahrer das beurteilen kann, Fahren in Vollendung. Mahle nimmt die Ideallinie, hat stets die hinter ihm fahrenden Autos im Blick. Er rast nicht, er fährt schnell.“

Ehrenplatz neben der Rennlegende

Auch seine Frau, meint Eberhard Mahle, Sohn des Mahlewerk-Mitbegründers Ernst Mahle, müsse ihn auch heute nicht mehr ermahnen, doch nicht so schnell zu fahren: „Wenn sie früher immer angedroht hat, sie würde bei 200 aussteigen, habe ich ihr gesagt, dass sie bei der Geschwindigkeit kaum die Tür aufbekäme.“ Und wie hält es der Rennleiter Werner Aichinger, jener Mann, der bei der Gedenkveranstaltung Solitude Revival seit Jahren im Mahdental den Regelhüter gibt und „aufpasst, dass, wenn alle rechtsrum fahren, nicht einer linksherum fährt“, mit Modellrennbahnen? „Ich fahre lieber mit den großen Autos“, sagt er. Am vergangenen Wochenende war Aichinger im Odenwald bei der „Porsche Rallye Schellhaas Revival“ unterwegs. „Das Wetter war ein Graus, aber die Landschaft großartig.“ Um mitfahren zu können, verkürzt er schon mal seinen Urlaub. Unter all den betagten Porsche 356, dem ersten Serienmodell der Marke, wirkte Aichinger Streckensicherungsfahrzeug Porsche 928 S ONS3 wie aus einer anderen Welt.

Steve McQueen bei „Le Mans“ gedoubelt

Mit dabei im Odenwald war auch Herbert Linge, der mit seinen 93 Jahren inzwischen ebenfalls den Beifahrersitz vorzieht. „Ein unglaublich liebenswürdiger Mensch“, sagt Aichinger, einer, der immer dabei sei und noch die ganze Motorsportgeschichte parat habe. Linge hat sich auch um die Sicherheit im Rennsport verdient gemacht und stieg nach dem Ende seiner Karriere als Fahrer 1970 noch mal in den Rennwagen, um Steve McQueen beim „Le Mans“ zu doubeln.

Die Rennbahn geht ans Kinderhospiz

Ein klein wenig ist die Ausstellung, die im Stadtpalais noch bis 14. November läuft, wohl auch eine Entschädigung für das Solitude Revival, das coronabedingt im Sommer ausfallen musste. Sollte die Veranstaltung im kommenden Jahr über die Bühne gehen, wären die hiesigen Rennsportlegenden natürlich alle wieder dabei, der Hans Hermann, der Herbert Linge und auch der Eberhard Mahle, „wenn es die Gesundheit zulässt“. Und Aichinger würde darauf achten, dass keiner falsch herum fährt.

Übrigens: die Carrera-Bahn ist kein Auslaufmodell. Sie wird nach dem Ende der Ausstellung dem Kinderhospiz übergeben.

Die Schau zur Strecke

Mythos Solituderennen
Die Sonderausstellung im Stadtpalais ist noch bis 14. November zu sehen. Der Eintritt ist frei. Für den Einlass muss einer der 3G-Nachweise (ein negatives, maximal 24 Stunden altes Testergebnis, genesen oder vollständig geimpft) vorliegen. Ausgenommen von der Testpflicht sind Kinder bis einschließlich fünf Jahren. Das Haus ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.