1922: Die Freie-Turn-Vereinigung bei einem Freundschaftsspiel. Foto:  

Im kommenden Jahr kann die Sportvereinigung 1897 Cannstatt die Sektkorken knallen lassen und auf das 125-jährige Bestehen sowie auf eine bewegte Geschichte anstoßen.

Bad Cannstatt - Die Geschichte der Spvgg 1897 Cannstatt ist eigentlich die Geschichte zweier Vereine – die der Freien Turnvereinigung Cannstatt und die des Fußballclubs Stern. Was diese eint? Beide wurden 1897 in der Sauerwasserstadt gegründet. Beide werden Jahrzehnte später dauerhaft zusammenfinden. Einen winzigen Tick früher, nämlich auf den 23. April 1897, datiert die Entstehung des Fußballclubs Stern. In dieser Zeit fand das Spiel mit dem runden Leder immer mehr Mitstreiter. Die Spieler schleppten in den ersten Jahren Torstangen und Torlatten quer durch die Stadt auf den Wasen, steckten dort ihr Spielfeld ab und kickten mitunter solange, bis Feldschütz oder Militärvertreter für einen vorzeitigen „Abpfiff“ sorgten. 1911 konnte man ein Spielfeld auf der Steig pachten. 179 ordentliche und 79 jugendliche Mitglieder zählte der Verein in jenem Jahr.

Die Gründung der Freien Turn-vereinigung Cannstatt als Protestaktion zu bezeichnen, wäre übertrieben. Aber dennoch: Einige Männer waren mit den Zielen der Deutschen Turner nicht mehr einverstanden und zogen es deshalb vor, als eigener Verein dem Arbeiter-, Turn- und Sportbund beizutreten. Da eine Halle zunächst nicht zur Verfügung stand, war Improvisation gefragt: Geübt wurde in Restaurants und Lokalen, in einem Bad und in einer Kegelbahn. Ein Trommler- und Pfeifenchor sowie eine Turnerinnen- und Kinderabteilung kamen hinzu. 400 Mitglieder zählte der Verein im Jahr 1910. Auch Fußball und Handball ergänzten in den folgenden Jahren das Angebot. Gespielt wurde auf einem Turn- und Spielplatz auf der Lerchenheide.

Die NS-Zeit bedeutete für die Sportvereine in Bad Cannstatt Einschnitte: Viele wurden aufgelöst, mussten während des Kriegs den Betrieb einstellen oder hatten keine Anlagen mehr zur Verfügung. Der Fußballclub Stern fusionierte im Jahr 1934 mit den Fußballabteilungen der Cannstatter Turnvereine zwangsweise zur „Spielvereinigung 1897 Cannstatt e.V.“, 1946 ging daraus die „SKG Bad Cannstatt“ hervor – es war der erste Verein nach dem Zweiten Weltkrieg, dem eine Lizenz erteilt worden ist. Auch die Freie Turnvereinigung wurde darin integriert. 1950 wurde dem Wunsch nach einem neuem Namen entsprochen: Die „Sportvereinigung 1897 Cannstatt e.V.“ wurde aus der Taufe gehoben.

Karl Mast hieß damals der Vorsitzende, viele Nachfolger und Jahrzehnte später hat Klaus Stötzer das Amt inne und freut sich, mit zahlreichen Mitstreitern im kommenden Jahr das 125-jährige Bestehen feiern zu können. Vor allem nach mehr als eineinhalb Jahren, in denen die Corona-Pandemie auch das Vereinsleben der Spvgg Cannstatt ausgebremst hat. „Das Miteinander und die Gemeinschaft haben uns neben dem Sport besonders gefehlt“, ist er überzeugt. Ansonsten hat der Verein wenig zu beklagen: Die Zahl der Mitglieder sei mit rund 1050 im Vergleich zum Jahr 2019 fast unverändert hoch geblieben. Und könnte sogar noch deutlich höher sein. „Im Jugendfußball haben wir derzeit sehr viele Anfragen, allerdings ist unser Platz zum Trainieren begrenzt.“ Woher die besondere Attraktivität rührt? Dazu dürfte in den vergangenen Wochen sicherlich die Männer-Mannschaft beigetragen haben, die derzeit in der Bezirksliga auf dem zweiten Platz liegt. „Wenn wir am Ende der Saison an der Spitze stehen würden, wäre dies das ideale Jubiläumsgeschenk“, sagt Klaus Stötzer mit einem Augenzwinkern.

125 Jahre – das bedeutet zahlreiche (Kabinen-)Feste, gemeinsame Ausflüge und schöne Erinnerungen. 125 Jahre stehen aber auch für zahlreiche Anekdoten, die erzählt werden können. So erinnert sich Ludwig Bauer, seines Zeichens Vorsitzender der Radsportabteilung und des Fördervereins, an ein besonders prominentes Mitglied: den späteren Außenminister Joschka Fischer. Der Grünen-Politiker war in seiner Jugend im Radsport aktiv und hielt auch später die Verbindung zur Spvgg Cannstatt. „Im Jahr 2000 wurde unsere Abteilung zu ihm nach Berlin eingeladen“, erzählt Bauer. Ehrensache, dass man für den Gastgeber ein passendes Präsent dabei hatte: ein Fahrrad in der Farbe Grün. Auch sehr erfolgreiche Sportler gingen aus der Spvgg Cannstatt hervor – so wie im Radrennsport die Brüder Heinz und Werner Betz, die in den 1970er-Jahren Deutsche Meister wurden. Zudem fanden einzelne Nachwuchskicker den Weg in das Bundesliga-Team des VfB Stuttgart.

Ausruhen auf dem bisherigen Erfolg wollen sich die Verantwortlichen nicht. Weitere Projekte stehen an. Im Januar beispielsweise erhält der Verein dank der städtischen Sportförderung eine neue Flutlichtanlage. Trotzdem: Ein dicker Wunsch steht noch auf der Liste – die Erweiterung des bisherigen Geländes. „Dann könnten wir mehr Jugendliche bei uns aufnehmen“, zeigt sich Klaus Stötzer überzeugt.