Marius Wolf (links) ist heute Teamkollege von Erling Haaland bei Borussia Dortmund – und war eines der drei Talente, die der Autor Ronald Reng auf ihrem Weg zum Profifußballer begleitet hat. Foto: AFP/Ina Fassbender

In „Der große Traum“ erzählt Ronald Reng die Geschichte dreier Talente, die Fußballprofi werden wollen. Es ist eines der hier vorgestellten Sportbücher, die unsere Redaktion für lesenswert befunden hat.

Stuttgart - Fast zwei Jahre ist Pellegrino Matarazzo nun schon Cheftrainer beim VfB Stuttgart. Das ist beachtlich. Und dennoch: Für ein Buch über den Italoamerikaner reicht das noch nicht. Was nicht schlimm ist – er kommt ja schon in einem vor.

Die Geschichte, die erzählt wird, spielt in den vergangenen zehn Jahren, der Part, in dem Matarazzo eine Nebenrolle besetzt, im Herbst 2012 und im Frühjahr 2013. Matarazzo ist damals vom Athletiktrainer der U 17 des 1. FC Nürnberg zu deren Cheftrainer befördert worden – und einer seiner Schützlinge ist Fotios Katidis. Für Matarazzo, den Schlaks mit dem damals noch ausgeprägten amerikanischen Akzent, heißt der Junge „Fody“. Und diesen Fody will er umschulen – vom offensiven Außenbahnspieler zum zentralen defensiven Mittelfeldspieler. Das geht erst gut, dann klappt es nicht mehr, am Ende verlässt Fody den Club. Und Pellegrino Matarazzo sagt: „Du brauchst die Offenheit, bei Rückschlägen die Fehler bei dir zu suchen. Nur so verbesserst du dich.“

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Es ist ein Satz, wie ihn vermutlich viele Talente in den Nachwuchsleistungszentren der deutschen Proficlubs zu hören bekommen. Drei dieser Spieler hat der Autor Ronald Reng über neun Jahre begleitet – und ihre Geschichten in einem so faszinierenden wie ehrlichen Buch aufgeschrieben.

Fotios Katidis, Niko Reislöhner und Marius Wolf träumten den Traum, Fußballprofi zu werden, machten ihren Weg in den Nachwuchsleistungszentren bayerischer Vereine. Und wer bisher noch dachte, diese Karrieren junger Kicker verlaufen geradlinig, behütet und ohne Probleme, der wird auf 521 Seiten eines Besseren belehrt.

Deutlich wird: Wer sich in der Nachwuchsabteilung eines Proficlubs auf den Weg macht, führt ein Leben auf dem Prüfstand. „Für einige ist der Traum schon mit 13 wieder passé, für manche mit 19“, schreibt Ronald Reng, „andere nehmen ihren Platz ein, bis auch die allermeisten von ihnen wieder verabschiedet werden.“ Der Autor betont: „Da ist kein Junge gescheitert, es entspricht einfach der statistischen Logik.“

In Deutschland haben seinen Angaben zufolge zwischen 2010 und 2020 rund 26 000 Nachwuchskicker die Nachwuchsleistungszentren besucht. Im deutschen Profifußball gebe es aber lediglich 2000 Stellen – und um die bewerben sich nicht nur die einheimischen Talente.

Die Geschichten von Fotios, Niko und Marius drehen sich daher nicht um den Aufstieg in eine schillernde Welt. Es geht um stete Auswahlverfahren, Abhängigkeiten vom Wohlwollen des Trainers, Sorgen, Druck, falsche Freunde, schulische Nöte und bittere Einsichten. Zudem wird deutlich, welchen Aufwand der Rest der Familie oft leisten muss, um den Traum des begabten Sohnemanns am Leben zu halten. Mit ungewissem Ausgang.

Ronald Reng: Der große Traum – Drei Jungs wollen in die Bundesliga. 22 Euro, 528 Seiten, Piper Verlag.

Chronik eines Machtkampfs

Für all jene, die den VfB Stuttgart nur rein sportlich beobachtet haben in den vergangenen Jahren, kam der große Knall Ende Dezember 2020 wie aus heiterem Himmel. Da eskalierte der Streit der Führungsfiguren Thomas Hitzlsperger (AG-Chef) und Claus Vogt (Präsident).

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Ein Blick hinter die Kulissen der vergangenen rund zehn Jahre zeigt aber: Hitzlsperger und Vogt sind zwar die Protagonisten der Gegenwart, ihr Zwist hat aber eine langjährige Vorgeschichte. Genau diesen Blick wagt Benjamin Hofmann, der als Redakteur des Fußball-Fachblatts „Kicker“ den Datenskandal beim VfB aufgedeckt hat, in seinem Buch ausführlich und detailreich. Es ist kein Enthüllungsbuch, vieles war bereits bekannt. Das Werk stellt aber in eindrücklicher Manier dar, wie beim VfB jahrelang Personalien durchgedrückt und Fehlentscheidungen getroffen wurden. Wie Einfluss genommen wurde und Abhängigkeiten entstanden sind. Wie Mitglieder und Fans manipuliert wurden. Sportlich waren zwei Abstiege Folge dieser Art des Managements.

Benjamin Hofmann: Kapital oder Kurve. 16,50 Euro, 206 Seiten, Verlag Die Werkstatt.

Triumph und Trauma

Wer es gesehen hat, dieses Fußballspiel am Abend des 8. Juli 1982, der wird es niemals vergessen: das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich in Sevilla, das brutale Foul von Torwart Toni Schumacher an Patrick Battiston, die Verlängerung, in der die Franzosen bereits mit 3:1 führten und Klaus Fischer per Fallrückzieher den Ausgleich erzielte, das Elfmeterschießen, das am Ende Horst Hrubesch zugunsten der Deutschen entschied.

39 Jahre später hat Stephan Klemm über „Die Nacht von Sevilla“ ein Buch geschrieben, das (fast) so spannend ist wie dieses legendäre Fußballdrama. Der Kölner Autor hat sich nicht nur mit allen 13 damals eingesetzten DFB-Profis getroffen, darunter auch die Brüder Bernd und Karlheinz Förster vom VfB Stuttgart. Er beleuchtet erfreulicherweise auch die französische Perspektive und schildert die Nachwirkungen im Nachbarland, in dem die Niederlage fast eine Staatskrise ausgelöst hätte und bis heute nicht überwunden ist.

Stephan Klemm: Die Nacht von Sevilla ’82. 24,90 Euro, 192 Seiten, Verlag Eriks Buchregal.

Nur Fliegen ist schöner

Skispringen ist ein Sport der Extreme. Da ist die Faszination der Weiten und Höhen, aber auch die ständige Gefahr eines Sturzes. Dieser Sport erfordert ein hohes Maß an mentaler Stärke. Der Moment des Absprungs ist von höchster Bedeutung, jedoch so kurz, dass er nur unterbewusst gesteuert wird. Und dann sind da noch der Schnee, der Nebel und der Wind. Volker Kreisl, Autor und Experte der „Süddeutschen Zeitung“, schreibt in diesem Buch so abwechslungsreich wie unterhaltsam über das Wesen des Skispringens. Es geht um die Pioniere und die großen Stars aller Epochen, um Sprungstile und mentale Stärke.

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Natürlich finden sich im Werk auch die Geschichten über die deutsche Boygroup um die Teenie-Idole Martin Schmitt und Sven Hannawald, die österreichischen Superadler und selbstverständlich den legendäre Briten Eddie, the Eagle. Volker Kreisl hat mit vielen Experten, Expertinnen, Skispringerinnen sowie Skispringern gesprochen, so ergibt sich ein umfassender Überblick.

Volker Kreisl: Das Buch vom Skispringen. 29,90 Euro, Hardcover, 192 Seiten. Verlag Die Werkstatt

Volltreffer

Fürchten muss sich niemand, wenn das Buch von Simon Schempp demnächst veröffentlicht wird. Der ehemalige Biathlet ist keiner, der nach dem Rücktritt einen Rachefeldzug startet oder Enthüllungen herausposaunt. Der viermalige Weltmeister aus Uhingen gibt – und das ist nicht minder spannend – persönliche Einblicke in die Welt hinter die Kulissen des Biathlonzirkus. Er erzählt von berauschenden Triumphen wie von schmerzhaften Niederlagen, er berichtet von Rivalen, mit denen er Freundschaften aufgebaut hat. Besonders eindrücklich erzählt Simon Schempp von seinem entbehrungsreichen Alltag und davon, wie er mit dem immensen Druck am Schießstand umgegangen ist – und welche Gefühle ihn beschäftigten und quälten, als er sich nach den Olympischen Winterspielen 2018 permanent mit Wehwehchen und Verletzungen herumplagen musste. Die Autobiografie ist ein sympathische Zeugnis eines Spitzensportlers – und ein Begleiter für alle, die Biathlon für die spannendste Wintersportart halten.

Simon Schempp: Zieleinlauf. 22 Euro, Hardcover, 304 Seiten, Riva Verlag. Ab 14. Dezember lieferbar.

Die Story der wilden Hilde

Hilde Gerg gehört nicht zu jenen Sportstars Deutschlands, die auch nach der Karriere omnipräsent sind. 2005 beendete sie ihre Karriere als Skirennläuferin, ein paar Jahre war sie danach noch als TV-Expertin zu sehen, danach wurde es öffentlich eher ruhig um die Slalom-Olympiasiegerin von 1998 („Leck mich am Arsch. Ich glaub, ich spinne. Gold. Ich habe die Goldmedaille!“), die einst als die wilde Hilde bekannt war. Im Jahr 2018 dann war sie Teil der TV-Serie „Ewige Helden“ und trat damit wieder ein Stück weit ins Licht der Öffentlichkeit. Nun erzählt sie ihre Geschichte in einem Buch. Das handelt nicht nur von sportlichen Höhepunkten und bitteren Momenten im Laufe der Karriere als Skirennläuferin. Sehr offen beschreibt Hilde Gerg, die am Königssee lebt, auch Höhen und Tiefen im „normalen“ Leben. Etwa den Tod ihres Mannes Wolfgang Grassl im Jahr 2010 – den ein Aorta-Riss plötzlich aus dem Leben riss. Hilde Gerg und die beiden gemeinsamen Kinder mussten damals mit diesem Schicksalsschlag klarkommen.

Hilde Gerg: Der Slalom meines Lebens. 18,95 Euro, 285 Seiten, Verlag Edel Sports.

Das Stehaufmännchen

Der in Stuttgart aufgewachsene Soufiane Mokhtari hatte eine schwierige Kindheit mit einem gewalttätigen Vater. Er rutschte in die Kriminalität ab, verkaufte Drogen, kämpfte sich selbst aus dem Sumpf und erfüllte sich über viele Umwege seinen Traum, Profifußballer zu werden – wenn auch nicht in Deutschland, sondern in Paraguay und Malaysia. Nach dem abrupten Ende seiner aktiven Karriere fiel er erneut in ein Loch – erwies sich aber aufs Neue als Stehaufmännchen. Inzwischen ist der Sportmanagement-Ökonom Spielerberater von hauptsächlich jungen Talenten in Europa. In seinem Buch „Ganz unten und ganz oben“ will der 44-Jährige mit den tunesischen Wurzeln die Asse von morgen vor Fehlern bewahren, die er selbst machte. Mit seinen Erfahrungen möchte er dazu beitragen, Menschen, die in ähnlichen Situationen stecken wie er, zu motivieren, Hürden zu überwinden und niemals aufzugeben – unabhängig von der Herkunft. Ein unterhaltsames Buch, das zum Nachdenken anregt.

Soufiane Mokhtari: Ganz unten und ganz oben. 20 Euro, 300 Seiten, erhältlich über soufiane-mokhtari.com.