Marko (links) und Kumpel Vincent halfen der Frau dabei, doch noch ihren Flieger in München zu erwischen. Foto: Marko Jankovic

Eine Seniorin will vom Münchner Flughafen aus in den Urlaub fliegen, verpasst aber ihren Zug in Stuttgart. Zwei junge Männer kommen zur Hilfe – und erleben eine unvergessliche Fahrt.

Eine Szene, wie sie sich wohl jeden Tag am Stuttgarter Hauptbahnhof abspielt: Eine Frau steht an den Gleisen, verpasst ihren Zug, ärgert sich. An einem Donnerstagabend im September aber entwickelt sich daraus eine rührende Geschichte.

Marko Jankovic saß im Zug nach Stuttgart, erinnert er sich. Er war in Brandenburg gewesen und auf dem Weg zurück in seine Heimatstadt. Eine lange Fahrt. Es war spät am Abend, als der 20-Jährige ankam. Er stieg aus dem Zug, wollte sich auf den Weg zu seinem Kumpel Vincent machen, der ihn mit dem Auto abholen wollte und wartete.

Im Getummel an den Gleisen – so erzählt es Marko – hörte er eine Frau hinter sich. „Sie hat so einen verzweifelten Laut aufgelassen und vor sich hergesprochen.“ Die ältere Frau wirkte auf ihn verzweifelt. „Sie hat gesagt: ,Wie kann es sein, dass meine Bahn hier nicht kommt?’“ Marko drehte sich um und sprach sie an, erzählt er. „Ich hab’ gesagt: ,Entschuldigung, brauchen Sie Hilfe?’“

Seniorin reagiert zunächst skeptisch

Ihr Zug müsse eigentlich an diesem Gleis abfahren, antwortete die Frau laut Marko. Gemeinsam prüften sie in der DB-App ihre Verbindung. Sie wartete offenbar am falschen Gleis, möglicherweise hatte es sich kurzfristig geändert. Ihr Zug war bereits abgefahren. Er hätte sie nach München fahren sollen. Dort sollte am frühen Morgen ihr Flug nach Tunesien starten, eine Urlaubsreise. „Sie hat sich dann total Sorgen gemacht, ich hab’ so einen Schockzustand selten gesehen“, sagt Marko.

Der nächste Zug nach München sollte erst in einigen Stunden fahren. Sie würde ihren Flug verpassen, ihr Urlaub würde ins Wasser fallen. „Es gab keine Chance, das noch mit einem Zug zu schaffen“, sagt Marko.

Er fasste den Beschluss ganz spontan, sagt er. „Ich hab’ ihr gesagt, dass wir sie fahren können.“ Gut gemeint vom 20-Jährigen, die Frau aber reagierte zunächst skeptisch auf das Angebot des ihr unbekannten Mannes. „Sie war sich erst nicht sicher, ob wir sie wirklich nach München fahren wollen. Sie hat gefragt, ob wir das einfach so machen oder ob wir auch nach München müssen.“

Das mussten Marko und sein Kumpel Vincent nicht, wie er sagt. Eigentlich hatten sich die beiden 20-Jährigen auf einen ruhigen Abend in Esslingen eingestellt, bei Vincent zu Hause. Sie änderten ihre Pläne – ganz spontan. „Für eine gute Tat ist kein Weg zu weit“, sagt Marko. Die Frau fasste Vertrauen und stieg bei den jungen Männern ein.

„Sie hat sogar ein Lied von Apache gekannt“

Auf der A8 ging es in der Dunkelheit in Richtung München. Die Frau erzählte den Männern aus ihrem Leben, von ihrer Familiensituation, von ihren Urlaubsplänen. Die Stimmung im Auto lockerte sich. „Wir haben irgendwann laut Musik gehört und haben uns gut verstanden. Sie hat auch ihre Musikwünsche geäußert.“ Sie wollte Herbert Grönemeyer hören, sagt Marko. Und Udo Lindenberg. „Sie hat sogar ein Lied von Apache gekannt.“

Um 3 Uhr kamen sie am Terminal in München an, weit vor dem Boarding. „Sie war unglaublich erleichtert und den Tränen nah“, erzählt Marko. Sie machten ein gemeinsames Erinnerungsfoto und tauschten Nummern aus. Dann verabschiedeten sie sich. „Sie hat uns richtig herzlich umarmt, das kam von ihr aus“, sagt Marko.

Knapp 24 Stunden später kommt eine Nachricht

Noch am Terminal in München drehte Marko ein Video und stellte es auf Tiktok. Mit Vincent im Hintergrund berichtet er darin von ihrem gemeinsamen Erlebnis, von ihrer guten Tat. Dann fuhren sie zurück nach Hause und fielen gegen 6 Uhr ins Bett. Das Video hat inzwischen fast 180.000 Aufrufe. In den Kommentaren zeigen sich viele Menschen ergriffen.

Knapp 24 Stunden nach der spontanen Hilfsaktion bekam Marko eine Nachricht mit Fotos auf sein Handy zugeschickt. Sie zeigen einen Strand in Tunesien, ein Hotel, ein Abendessen. Und eine glückliche ältere Frau.