Aus diesem begehbaren Tresor im Grünen Gewölbe wurden nach Polizeiangaben die Juwelen und Kunstschätze gestohlen. Foto: Matthias Hiekel/dpa

Das Grüne Gewölbe in Dresden, eines der bekanntesten Museen Deutschlands, ist ausgeraubt worden. Der Schaden ist kaum zu messen, die Täter sind auf der Flucht.

Dresden - Die sächsische Polizei geht nach dem Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden von mindestens zwei Tatverdächtigen aus. Auf der Kamera im Juwelenzimmer seien zwei Einbrecher zu sehen gewesen, sagte der Leiter der Kriminalpolizei, Volker Lange. Es sei nicht ausgeschlossen, dass weitere Tatverdächtige an dem Coup beteiligt gewesen sein.

Die Fahnder berichten von Aufzeichnungen der Überwachungskamera, die im Juwelenzimmer zwei Einbrecher zeigt. Offenbar konnten die recht kleinen Diebe am Montagmorgen gegen 5 Uhr durch ein Fenster Richtung Schlossplatz einsteigen. Dafür durchtrennten sie das Gitter und schlugen das Fenster ein.

So lief der Einbruch ab

Nach Presseberichten steckten die Einbrecher den Stromkasten unter der Augustusbrücke, welche die historische Altstadt mit der Neustadt verbindet, an, um so die Elektrizitätszufuhr der staatlichen Kunstsammlungen lahmzulegen. Im Schutze der Dunkelheit sollen sie sich dann ans Werk gemacht haben.

Nach Angaben der Feuerwehr hatte es aus der Stromanlage des Museums gequalmt. Wegen der „unklaren technischen Lage“ hätten die Einsatzkräfte zunächst nicht mit dem Löschen beginnen und mussten auf Fachleute des Energieversorgers Drewag warten, wie der „MDR“ berichtet. Demnach hatte es an einem 1000-Volt-Verteiler einen Kurzschluss gegeben, Teile der Straßenbeleuchtung waren ausgefallen.

Möglicherweise rund 100 Objekte gestohlen

Zielsicher seien die Diebe auf eine Vitrine im Museum zugegangen und hätten diese zerschlagen, wie der Direktor des Grünen Gewölbes, Dirk Syndram, erklärt. Danach hätten sie drei wertvolle Juwelengarnituren aus dem 18. Jahrhundert gestohlen. Die Objekte stammen aus der Sammlung Friedrich August I., des Starken. Die Ensembles aus Knöpfen, Schnallen, Hutzier, Orden, Achselschleifen oder Stockknöpfen sind mit Brillanten, Diamanten, Rubinen, Smaragden oder Saphiren besetzt.

Wie viele von den rund 95 Einzelstücken genau verschwunden sind, ist bisher noch unklar. Geprüft werde nun auch der Brand des Stromkastens und eines Fahrzeuges, das abgemeldet gewesen sei, so Lange weiter.

Bisher sind die Täter auf der Flucht. Wie konnten sie in das Residenzschloss eindringen? Der Einbruch wirft auch Fragen nach dem Sicherheitskonzept auf. Auf der Homepage des Grünen Gewölbes heißt es nur: „Die barocke Schatzkammer im Residenzschloss aktuell geschlossen.“

Tatortgruppe des LKA ist im Einsatz

Der Einbruch war am frühen Montagmorgen (25. November) gemeldet worden. Um 4.59 Uhr hätten sie vom Sicherheitsdienst die Information bekommen, dass es zu einer Einbruchshandlung komme, berichtet Dresdens Polizeipräsident Jörg Kubiessa. Kurz darauf sei der erste Streifenwagen beauftragt worden. Einen Fahndungserfolg gebe es noch nicht. „Aktuell ist unsere Tatortgruppe des LKA im Einsatz und untersucht den Tatort.“

Die Polizei hat nach eigenen Angaben auch Kontakt zu Ermittlern in Berlin aufgenommen. Sie stünden in Kontakt mit Berlin, um zu sehen, „was gibt es für Zusammenhänge, was gibt es für ähnliche Tatmuster“, so Lange. In Berlin hatten Unbekannte im Frühjahr 2017 im Bodemuseum eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze gestohlen.

Künstlerischer Wert ist nicht zu beziffern

Der Einbruch betrifft den historischen Teil der Sammlung mit Juwelengarnituren sowie anderen wertvollen Kunstobjekten. Nach Meinung der Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, lässt sich der Wert des Diebesguts nicht beziffern. Das mit dem Wert sei so eine Sache, sagte sie. Sie könnten das nicht „in einem Wert“ auflösen.

Das Juwelenzimmer gilt als der prachtvollste Raum des Grünen Gewölbes. Täfelungen, Spiegel, Türbekrönungen mit Kurhut und Königskrone, Pilaster und Marmorfußboden wurden nach historischen Quellen rekonstruiert. In vier Hightech-Vitrinen liegen verschiedene Kostbarkeiten mit Brillanten, Diamanten, Smaragden, Rubinen und Saphiren – darunter der weltgrößte blaue Stein dieser Art.

Im Juwelenzimmer befinden sich auch die „Juwelen der Königin“: drei Meter Diamanten und Brillanten auf tiefdunkelblauer indischer Rohseide. Die besondere Bedeutung liege weniger im Materialwert als in der Vollständigkeit des Ensembles, betont Marion Ackermann. Sie hoffe, dass das Diebesgut aufgrund der „internationalen Bekanntheit“ dem Kunstmarkt entzogen sei.

Wertvollstes Stück befindet sich derzeit in New York

Sachsens Kurfürst August der Starke (1670-1733) ließ die Schatzkammer zwischen 1723 und 1730 direkt am Ufer der Elbe neben der Frauenkirche anlegen. Heute wird das Grüne Gewölbe in zwei Abteilungen präsentiert. Der historische Teil befindet sich im Erdgeschoss des Residenzschlosses in den wiederhergestellten Räume der Sammlung. Eine Etage weiter oben zeigt das Neue Grüne Gewölbe besondere Einzelstücke.

Eines der wertvollsten Artefakte aus Dresden wird derzeit im Metropolitan Museum of Art in New York ausstellt – der Grüne Diamant. Das Hut-Schmuckstück mit dem einzigartigen Stein von 41 Karat und natürlicher Färbung gilt als spektakulärste Leihgabe der Ausstellung „Making Marvels: Science and Splendor at the Courts of Europe“ des Metropolitan Museum of Art.

„Wir Sachsen wurden bestohlen!“

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigt sich bestürzt über die dreiste Diebestat. „Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen!“, so der CDU-Politiker. „Die Werte, die im Grünen Gewölbe und im Residenzschloss zu finden sind, sind von den ‎Menschen im Freistaat Sachsen über viele Jahrhunderte hart erarbeitet wurden“, so Kretschmer.

„Man kann die ‎Geschichte unseres Landes, unseres Freistaates nicht verstehen, ohne das Grüne Gewölbe und ‎die Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens.“

Einst Amtssitz der sächsischen Kurfürsten

Das „Grüne Gewölbe“ beherbergt eine der ältesten und prunkvollsten Schausammlungen für Pretiosen und Kunstobjekte weltweit – mit Kunstschätzen der Wettiner Fürsten von der Renaissance bis zum Klassizismus. Im Westflügel des Dresdner Residenzschlosses, das einst Amtssitz der sächsischen Kurfürsten war, sind mehr als 4000 weltweit einzigartige Kunstwerke der Juweliers- und Goldschmiedekunst von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert ausgestellt.

Eines der berühmtesten Artefakte ist der „Mohr mit Smaragdstufe“ des Hofgoldschmieds Johann Melchior Dinglinger (1664-1731). Der Name Grünes Gewölbe leitet sich von einst malachitgrün gestrichenen Säulenbasen und -kapitellen in den ursprünglichen Gewölberäumen her.

1945 komplett ausgebombt

Seit der Wiedereröffnung im September 2006 gehört dass grüne Gewölbe zu den Besuchermagneten Dresdens. Ihren Namen verdanken die Räume malachitgrünen Abfärbungen einzelner Bauteile. Es gilt als eine der reichsten Schatzkammern und eines der ältesten Museen Europas.

Drei der acht Räume aus dem 18. Jahrhundert waren den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg 1945 zum Opfer gefallen. Die Roten Armee beschlagnahmte die ausgelagerten Kostbarkeiten und brachte sie nach Moskau. Erst 13 Jahre später kehrte die Sammlung zurück. Wegen Platzmangels konnte aber lange nur ein Teil gezeigt werden.

Für 45 Millionen Euro renoviert

In die Wiederherstellung der Räume in ihrer barocken Fassung – vom Bernsteinzimmer über den Pretiosensaal bis zum Juwelenzimmer – investierte Sachsen 45 Millionen Euro. In einem modernen Teil der Schatzkammer, dem Neuen Grünen Gewölbe, sind zudem mehr als 1000 Objekte zu sehen.

Die Kabinette sind nur durch eine Schleuse begehbar, die den Besucher von Staub und Schmutz befreit. Aus konservatorischen Gründen ist die Zahl der täglichen Besucher in diesem „begehbaren Tresor“ begrenzt. Die meisten Kunstwerke sind nicht in Vitrinen verschlossen, sondern stehen frei auf Konsolen und Tischen. Nur im Juwelenzimmer liegen die Schmuckstücke unter Glas.