Harry Pfau steht vor der nach ihm benannten Harrys Bude. Foto: Jan Sellner

Seit bald fünf Jahren rettet Harry Pfau Lebensmittel in Stuttgart und verteilt sie an Bedürftige. Seine „Bude“ bei St. Maria in der Innenstadt ist ein Hoffnungsort geworden.

„Überrascht“ sei er gewesen, sagt Harry Pfau und setzt ein breites Strahlen auf: „Positiv überrascht!“ Als sich im Frühjahr des Staatsministerium bei ihm meldete, rätselte er: „Was wollen die ausgerechnet von mir?“ Schnell war klar, was die Regierungszentrale und Ministerpräsident Winfried Kretschmann von ihm wollten – ihn ehren für sein soziales Engagement als Lebensmittelretter und -verteiler. Vor ein paar Tagen war es dann soweit. Bei einer Feierstunde im Mannheimer Schloss erhielten 24 „verdiente Persönlichkeiten“ den Verdienstorden des Landes, die höchste Auszeichnung, die das Land Baden-Württemberg zu vergeben hat.

Bisher wurden insgesamt 2076 Personen ausgezeichnet

Der 64-jährige war einer der Geehrten, neben so bekannten Persönlichkeiten wie der Tübinger Ärztin Lisa Federle, der Schauspielerin Sibel Kekilli, dem Parlamentarischen Staatssekretär Nils Schmid, dem früheren Innenminister Reinhold Gall und dem Seehaus-Grüner Tobias Merckle. Pfau zählt damit zu dem auf maximal lebende 1000 Personen begrenzten Kreis von Verdienstordensträgern. Seit der Einführung des Verdienstordens im Jahr 1975 wurden 2076 Personen „für herausragende Verdienste um das Land Baden-Württemberg“ ausgezeichnet.

Harry Pfau auf dem roten Teppich vor dem Barockschloss in Mannheim: unverkleidet und authentisch. Foto: Privat

„Und ich soll dazu gehören?“, fragte sich Harry Pfau. Und wie er dazu gehört. Für Leute, wie ihn, die sich um hilfsbedürftige Menschen kümmern – und das ohne Ansehen der Person und ohne Vorbedingungen – , wurde die Auszeichnung einst erdacht. 13 Jahre lang lebte er selbst auf der Straße, war obdachlos und dem Alkohol verfallen. Mit einer großen Energieleistung kehrte er zurück und eröffnete 2020 Harrys Bude. So nennt er seinen Container bei St. Maria an der Paulinenbrücke in der Innenstadt, wo er und viele Freiwillige an fünf Tagen in der Woche gerettete und gespendete Lebensmittel an Bedürftige „fair-teilen“. Für die Lebensmittel, die Harry Pfau von Marktbeschickern und von Supermärkten kostenlos erhält, gilt ein Einheitspreis: „Freundlichkeit und Geduld“. So steht es auf einem Plakat an seiner Bude.

Harry Pfau ist längst stadtbekannt. Und nun auch landesweit. Der Verdienstorden ist nicht die erste Auszeichnung, die er erhalten hat. Er ist Träger des Bürgerpreises der Stuttgarter Bürgerstiftung. Vor zwei Jahren kam die Auszeichnung Stuttgarter des Jahres unserer Redaktion dazu. In Mannheim würdigte der Ministerpräsident das Engagement von Harry Pfau als „erfolgreiches Modell des Foodsharings“, also dem Teilen von Lebensmitteln, mit heute rund 50 Ehrenamtlichen und zahlreichen Kooperationspartnern – etwa der Bürgerstiftung. Bisher wurden dort mehr als 800 Tonnen Lebensmittel ausgegeben. „Harry Pfau hat seine persönliche Geschichte gewandelt – und gibt heute Hoffnung und konkrete Hilfe weiter“, sagte Winfried Kretschmann.

Der Verdienstorden ist nicht Pfaus erste Auszeichnung

Über die Anerkennung freut Pfau sich in der ihm eigenen Bescheidenheit. Eine schöne Veranstaltung mit interessanten Leute sei das in Mannheim gewesen, sagt er. Aus den dort geknüpften Kontakten könnte sich noch mehr ergeben. Zugleich findet er, dass „wir etwas machen, was eigentlich der Staat übernehmen sollte“.

Gemeinsame Projekte mit der Bürgerstiftung

Freude über die Auszeichnung herrscht auch bei der Bürgerstiftung: „Wir und die Kirchengemeinde St. Maria begleiteten Harry Pfau dabei, seine ,Bude‘ zu verwirklichen und auszubauen.“ Umgekehrt seien er und sein Team wichtige Impulsgeber für die Weiterentwicklung des Projekts „Supp_optimal – Essen für alle“ gewesen, bei dem mit geretteten Lebensmitteln inzwischen selbst gekocht wird. Weitere gemeinsame Projekte, so ist zu hören, sind in Planung.