Hohe Nachfrage und Rohstoffmangel: Der Preis für Fahrräder steigt seit Jahren. Foto: Tom Weller/weller

Gerade im Frühjahr und Frühsommer wechseln immer mehr Menschen aufs Fahrrad. Kann der Stuttgarter Markt die hohe Nachfrage decken?

Der Fahrradmarkt boomt. Ob aus Klimaschutzgründen, als Reaktion auf steigende Spritpreise oder einfach aus Lust an frischer Luft und Bewegung – laut dem Statistischen Bundesamt ist die Anzahl der Fahrräder auf Deutschlands Straßen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Gerade im Frühjahr greifen auch immer mehr Stuttgarter lieber zum Lenker statt zum Lenkrad. Doch auch ohne Verbrennungsmotor muss ein Fahrrad mal zur Wartung, zur Reparatur oder zum Reifenwechsel. Da stellt sich die Frage: Haben Stuttgarts Fahrrad-Werkstätten überhaupt die Kapazitäten, um des Frühjahrs-Andrangs Herr zu werden?

Im Frühjahr bis zu zehn Wochen Wartezeit

„Das kommt natürlich immer drauf an, wie viel an einem Rad zu tun ist“, sagt Alexander Hoss, Inhaber der Fahrradwerkstatt Radtheke in Stuttgart-Süd. Kleinarbeiten wie einen platten Reifen flicken könnten sofort erledigt werden; bei komplizierteren Reparaturen dauere es zu Hochzeiten, also von März bis August, auch schon mal einige Wochen. „Letztes Jahr hatten wir bis zu zehn Wochen Wartezeit“, so Hoss. „Dass es mehr wird, ist bei uns also gar nicht so spürbar, weil wir seit drei oder vier Jahren sowieso voll ausgelastet sind.“ So hat Hoss, der neben der reinen Reparatur-Werkstatt auch noch ein Verkaufsgeschäft für Lastenräder und Cargo-Bikes in Aidlingen führt, stets einen Blick auf die Branche. Die jedoch steht trotz steigender Nachfrage seit Pandemie-Beginn vor Problemen. „Wir warten teilweise ein Jahr lang auf bestellte Ware und sind immer noch nicht sicher, ob sie kommt.“ Als Grund nennt Hoss Rohstoffmangel und die Null-Covid-Politik einiger asiatischer Produktionsländer, die auch Häfen und Fabriken betreffe. „Seit Anfang der Pandemie hatten wir die dritte oder vierte Teuerungswelle“, sagt er.

Lastenräder sind immer gefragter

Fabian Kästle, Betriebsleiter der Bikewerkstatt in Stuttgart-Mitte, erinnert sich an eine besonders hohe Nachfrage im Sommer 2020. „Die Leute waren in Kurzarbeit oder haben zu Hause gearbeitet“, so der 33-Jährige. „In der Zeit haben viele Leute Fahrräder gekauft.“ In der Bikerwerkstatt sei vom Rohstoffmangel bis jetzt aber noch nichts zu spüren, sagt er. „Gerade haben wir noch keine Probleme, Räder oder Ersatzteile zu bekommen. Wir haben ausreichend vorbestellt, daher trifft es bei uns wohl verzögert ein.“ Das könnte noch im Sommer geschehen – denn ein hoher Andrang ist auch in diesem Jahr absehbar: „Ab den Monaten Juni und Juli ist das Limit meistens erreicht. Da kommen dann manchmal 40 Räder am Tag rein.“ Besonders Lastenräder seien mehr geworden, sagt Kästner, „inzwischen wahrscheinlich fast 20 Prozent der Reparaturen.“

Auch im Winter immer mehr Radfahrer

Dagegen verzeichnet Ali Haydar Sever von der Fahrradwerkstatt Veloria in Stuttgart-Süd einen eher geringen Andrang. „Bei mir ist es noch recht entspannt. Aber klar, sobald die ersten Sonnenstrahlen kommen, wird der Andrang größer“, sagt Sever. Doch auch im Winter kämen viele Kunden mit ihren Rädern zu ihm. „Es ist einfach nicht mehr so kalt wie früher. Vor 30 Jahren war im Winter der ganze Talkessel verschneit.“ Sever hat bislang eine reine Werkstatt betrieben und erst vor kurzem angefangen, auch Räder zum Verkauf zu bestellen, aber das seien nur Restposten. „Die Hersteller bekommen die Räder teilweise nicht fertig, und die Reparateure bekommen die Teile nicht.“ Wohl auch wegen des Preisanstiegs für neue Räder gehen viele Menschen dazu über, ein Gebrauchtrad zu kaufen. Doch das, erklärt Sever, ist nicht immer günstiger. „Viele kaufen sich einigermaßen günstig ein Rad, aber dann kommen sie, und die Reparatur kostet 500 bis 600 Euro. Manchmal mehr als das Rad.“

Gebrauchträder nicht immer die günstige Alternative

Worauf sollte man also achten? Sever zählt auf: den Zustand der Bremsanlage, den Antrieb, also Kette, Kassette und Kettenblätter, denn „das ist meistens am teuersten zu reparieren“, außerdem den Zustand der Felgen – wie weit sind sie schon heruntergebremst?

Am Ende jedoch geht nichts über den Blick des Fachmanns. „Ich würde raten, mit dem Fahrrad zum Fahrradhändler zu kommen und die 20 oder 30 Euro für eine Expertise zu zahlen“, sagt Ali Haydar Sever.

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