Die größte deutsche Solarthermieanlage auf einem Dach befindet sich in Dettenhausen (Kreis Tübingen). Foto: privat/Stadtwerke Tübingen

Nach einem Unglück ist der Waldenbucher Schokohersteller Ritter einst ins Energiegeschäft eingestiegen. Aus heutiger Sicht der richtige Riecher. Bei einem Besuch am Standort in Dettenhausen fallen mehrere Superlative.

Der erste Superlativ befindet sich direkt auf dem Dach in Dettenhausen (Kreis Tübingen): die bislang größte Solarthermie auf einem Dach in Deutschland. Sie ging im Mai 2022 ans Netz und zeigt, was im Portfolio von Ritter noch so steckt neben Schokolade.

Auf mehr als 2300 Quadratmetern wird im Jahr ein Wärmeertrag von 1120 Megawattstunden erzeugt. Zur Einordnung: Der durchschnittliche Wärmeverbrauch fürs Heizen liegt in Deutschland bei etwas mehr als sechs Megawattstunden pro Haushalt und Jahr . Di e Anlage gehört der Firma Ritter Sport, die dort einen Logistikstandort hat, und sie speist ins Wärmenetz von Dettenhausen ein. Über das Jahr gesehen deckt diese größte Anlage ihrer Art etwa 20 Prozent des Bedarfs der rund 50 angeschlossenen Haushalte, allein den Sommer betrachtet sogar oftmals 100 Prozent.

Ritter Sport und Energie – so kam es

Doch was genau hat Ritter Sport mit Energie zu tun? Die Verbindung ist die Familie Ritter, doch die Firmen arbeiten unabhängig. In Waldenbuch wird Schokolade hergestellt, in Dettenhausen sind es Solarthermie-Vakuumröhrenkollektoren. Die Logos ähneln sich höchstens mit allerbestem Willen. Und so kam’s: Der Waldenbucher Schokoladenfabrikanten Alfred Theodor Ritter ist unter dem Eindruck der Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl 1989 ins Geschäft mit erneuerbaren Energien eingestiegen. Er suchte nach einer umweltfreundlicheren Alternative. Die Firma Paradigma begann mit Solar-, Holzpellets- und Gasheizsystemen in Pforzheim. Paradigma gibt es immer noch, sie ist Systemanbieter für nachhaltige Heizungslösungen für Ein- und Mehrfamilienhäuser und eine Marke von Ritter Energie.

Ritter Energie wiederum produziert in Dettenhausen Vakuumröhrenkollektoren; eine Abhängigkeit etwa vom asiatischen Markt wie bei Photovoltaik gebe es nicht, sagt Bram Lernout. Der Projektingenieur ist seit seinem Studium 2002 dabei und arbeitet für die Marke Ritter XL, die Solarthermieanlagen baut, die größer als 80 Quadratmeter sind. Das gilt für die auf dem Dach von Ritter Sport nebenan, aber nicht nur. Solarthermie-Großanlagen – auf dem Boden – sind bundesweit gefragter denn je. Die kommunalen Wärmeplanungen lassen grüßen.

Ekrem Köse leitet seit anderthalb Jahren die Sparte Ritter XL. Foto: Judith A. Sägesser

Deutschlands größte Dach-Solarthermieanlage in Dettenhausen „war eine glückliche Fügung“, sagt Bram Lernout. Die Stadtwerke Tübingen suchten einen Standort für eine Energiezentrale, Ritter Sport hatte eine Fläche, und man hatte ohnehin vor, ein neues Gebäude zu errichten, das Dach wurde entsprechend geplant.

Ein weiteres Großprojekt, das Lernout steuert, läuft in Tübingen. Dort installiert Ritter XL für die dortigen Stadtwerke auf 12 000 Quadratmetern eine Anlage, die ebenfalls ins Wärmenetz liefern wird. Rund drei Viertel der Vakuumröhrenkollektoren sind schon aufgeständert, die Anfänge des 20 Meter hohen Pufferspeichers sind zu sehen.

Kollektoren von Ritter bei 50 Prozent der Projekte

Seit 2013 die erste Anlage in Büsingen am Hochrhein ans Netz ging, sind etliche hinzugekommen. Bei 50 Prozent der Projekte in Deutschland, die an ein Wärmenetz angeschlossen sind, sind Ritter-Kollektoren made in Dettenhausen verbaut. „Im Osten Deutschlands entstehen tendenziell mehr Anlagen“, sagt Ekrem Köse, der den Bereich Ritter XL leitet. „Dort ist das Fernwärmenetz stärker ausgebaut.“

Ein neues Projekt von Ritter XL geht bald in Leipzig ans Netz – Deutschlands größte Solarthermieanlage. Auf rund 65 000 Quadratmetern wird dann ein Jahresertrag von 25 800 Megawattstunden produziert. Die Superlative der Energiemacher aus dem Kreis Tübingen gelten dann – zwischenzeitlich – fürs Dach und für den Boden.