1947 erscheint das erste Polaroidfoto im „Life Magazine“ als „Bild der Woche“. Foto: imago/Everett Collection

Vor 50 Jahren, am 26. Oktober 1972, präsentierte Edwin Herbert Land der Öffentlichkeit mit seiner Polaroid SX-70 die erste echte Sofortbild-Spiegelreflexkamera.

Ein Fotoapparat, der ohne Negativ auskommt und die Bilder in wenigen Sekunden fertig ausspuckt: Vor 50 Jahren, am 26. Oktober 1972, präsentierte Edwin Herbert Land der Öffentlichkeit mit seiner Polaroid SX-70 die erste echte Sofortbildspiegelreflexkamera. Alle Filmbestandteile wie die Entwicklersubstanz waren im ausgeworfenen Bildpapier integriert und versiegelt – so musste es nicht mehr vom Negativ getrennt werden. Jeder konnte beobachten, wie sich die Fotos von selbst an der Luft entwickelten und das Bild langsam sichtbar wurde. Und daraus wurde ein weltumspannender Kult. Die Polaroid SX-70 schubste die Fotos dank eines kleinen Elektromotors mit einem quietschenden Surren zügig aus der Kamera.

Außergewöhnliches Format

Das war zu Beginn ganz anders. Bereits in den 1940er Jahren hatte der Erfinder verblüfften Experten seine „Land Camera“ präsentiert, deren eigentliche Neuerung nicht im Apparat, sondern im dazugehörigen Film lag. Das Schnellentwicklungsverfahren übertrug das belichtete Negativ direkt auf ein Positiv. Und das in dem außergewöhnlichen Format von 20 x 30 Zentimetern. Schon 1933 hatte der Physiker spezielle Polarisationsfolien entwickelt, die er sich patentieren ließ. Mit den Filtern wurde grelles Licht gedämpft, sie kamen in Fenstern und Sonnenbrillen zum Einsatz. 1937 machte er sich in Boston mit seiner Firma Polaroid selbstständig und verdiente gutes Geld.

Die Idee zur innovativen Fotografie war ihm 1943 gekommen. Beim weihnachtlichen Familienurlaub in Santa Fe hatte er seine dreijährige Tochter Jennifer fotografiert, als sie ihn fragte: „Papa, warum kann ich das Bild nicht sofort sehen?“ Dadurch wurde Lands Erfindergeist geweckt, und er begann, an einer Lösung zu tüfteln. „Ich hatte genau vor Augen, wie eine Polaroidsofortbildkamera sein sollte. Sie war für mich total real, schon bevor ich sie gebaut hatte“, erinnerte er sich später.

Doch bis er das fertige Produkt vorstellen konnte, bedurfte es noch intensiver Forschungsarbeit. Gemeinsam mit der Chemikerin Eudoxia Woodward und dem Ingenieur Maxfield Parrish jr. zog sich Land ins Labor zurück. 1944 präsentierte das Team eine Walzentechnik, die einen chemischen Prozess in Gang setzte. Kernstücke dabei waren sogenannte Pods, diese kleinen Papiertaschen enthielten Entwicklerpaste und mussten präzise zum Zerplatzen gebracht werden, damit sich die Flüssigkeit exakt zwischen Positiv und Negativ verteilen konnte. Dieses Trennbildverfahren dauerte 30 bis 90 Sekunden. Danach wurde das Foto seitlich aus der Kamera gezogen. Die erste erfolgreiche Belichtung eines Polaroidbildes gelang am 7. August 1944.

Siegeszug um die ganze Welt

Weitere Experimente folgten, bis aus dem Prototyp ein serienreifes Modell entstand. Das Trennbildverfahren war sehr aufwendig, Schwachstelle blieb die hohe Temperaturempfindlichkeit, außerdem waren die Filme im Vergleich zu herkömmlichen teurer, dafür wurde aber im Gegenzug das Fotolabor eingespart. Schließlich erschien 1947 das erste Polaroidfoto im „Life Magazine“ als „Bild der Woche“. Es begann ein Siegeszug um die ganze Welt.

Die ersten Exemplare der „Land Camera Model 95“ verkaufte am 26. November 1948 die Jorden Marsh Company in Boston, zum Preis von 89,50 Dollar. Die Kamera ging danach millionenfach über die Ladentische, obwohl sie lediglich schwarz-weiße Bilder mit leichtem Braunstich lieferte.

Und die Firma blieb innovativ: 1957 stellte sie einen Diafilm vor, der in zwei Minuten projektionsfähige Diapositive produzierte, im Jahr 1959 erschien der hochempfindliche Film „Typ 3000“, der Innenaufnahmen ohne Blitz ermöglichte. 1963 brachte Lands Firma den ersten „Einminutenfarbfilm“ Polacolor auf den Markt. Künstler liebten an Polaroidbildern das Authentische, technisch Imperfekte, jedes Foto war ein Unikat.

Auch Schwachstellen

Aber es zeigten sich auch Schwachstellen: In einem Polaroidhandbuch von 1965 wies der Hersteller ausdrücklich darauf hin, die Abläufe beim Trennbildverfahren von Fotopapier und Negativ strikt einzuhalten. Nach der Aufnahme mussten die beiden Schichten vorsichtig aus der Kamera gezogen und nach 60 Sekunden voneinander getrennt sowie getrocknet werden. Trotz aller Sorgfalt blieben häufig Rückstände der Entwicklerchemikalie an Händen und später im Abfall zurück. Erst mit der Markteinführung des Modells SX-70 vor 50 Jahren gehörten diese Probleme der Vergangenheit an.

Die Kamera verfügte über ein faltbares Kunststoffgehäuse, zum unverwechselbaren Aussehen der Polaroids kam noch der typische Sound hinzu. Obwohl der Preis damals bei stolzen 180 Dollar (nach heutigem Wert knapp 300 Euro) für die Kamera und nochmals 6,90 Dollar (rund elf Euro) für eine Filmkassette mit zehn Bildern lag, verkaufte Polaroid bis Mitte 1974 rund 700 000 Stück.

Auch Fuji und Kodak verkauften Sofortbildkameras. In den 1980er Jahren klagte Polaroid gegen Kodak wegen Patentverletzung. Kodak verlor den Rechtsstreit und stellte 1985 Herstellung und Vertrieb ein. In den 1990ern verschlief Polaroid den Fortschritt der elektronischen Speicherung auf Videobändern ebenso wie den Start der Digitalfotografie. Die Firma war Ende 2008 insolvent und musste die Produktion aufgeben.