Lederstiefel halten meist lange, die Produktion ist aber nicht unproblematisch. Foto: imago images/MiS

Leder gilt als besonders langlebig. Aber die Herstellung ist problematisch. Kork, Ananasleder und Kaktusleder sind Alternativen – aber nicht in jeder Hinsicht besser.

Stuttgart - Gehen Sie auch noch mit der Lederjacke in die Kneipe, mit der sie schon vor Jahren um die Häuser gezogen sind? Haben Sie ein Paar Lederschuhe herumstehen, das erst nach ein paar Jahren abgewetzt genug waren, um irgendwie cool zu sein, nun aber seit Ewigkeiten treue Partner im Alltag sind? Damit wären sie nicht alleine, denn: Gutes Leder hält in der Regel lange. Ist das aus Nachhaltigkeitssicht zu toppen?

Die kurze Antwort lautet: Sowohl Leder als auch Lederalternativen haben aus Nachhaltigkeitsperspektive einige Nachteile. Die detaillierte Antwort ist aber etwas komplizierter.

Die Lederproduktion läuft nicht immer gesund ab

Damit Leder glatt und haltbar wird, muss die Tierhaut behandelt werden. Erst werden die Haare entfernt. Bei diesem sogenannten Äschern wird in Europa Calciumhydroxid oder Natriumsulfid verwendet. Das erzeugt Abwässer, die giftig sind und geklärt werden müssen. Danach folgt das Gerben, um das Leder haltbar zu machen. Das passiert etwa mit Chrom-III-Salzen. Wird dieses Chrom III nicht richtig gehandhabt, kann es sich in giftiges Chrom IV umwandeln. Dieses schädigt dann am Produktionsort die Umwelt und kann sich auch im Leder einlagern. Das Bundesinstitut für Risikobewertung ging laut quarks.de im Jahr 2019 davon aus, dass etwa fünf Prozent des verkauften Leders in Europa die Grenzwerte überschreiten.

Der Textilexperte Kai Nebel von der Hochschule Reutlingen erläutert, dass in Deutschland hergestelltes Leder in dieser Hinsicht unbedenklich ist, weil die Kontrollen streng sind. Die Masse sei aber billig gegerbt, sagt Nebel. „Und das ist schon problematisch.“ Bis zu 80 Prozent des verarbeiteten Leders kommen aus Asien, genaue Zahlen sind schwer zu finden. Glaubt man verschiedenen Organisationen, ist die Herstellung dort oft nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter ziemlich problematisch.

Kein reines Abfallprodukt

Wichtig ist auch: Steht auf einem Schuh oder einer Jacke „Made in Germany“, oder ein anderes EU-Land, bedeutet das nicht, das auch das Leder aus dem angeführten Land kommt. Das heißt: Wenn du Leder kaufen willst, suchst du dir am besten eine Herstellerin des Vertrauens, bei der du dich auch über die Lederlieferanten und Herstellungsbedingungen erkundigen kannst. Dann hast du ein Produkt, das potenziell ewig hält – und damit nachhaltig ist.

Wie nachhaltig Leder ist, hängt auch stark davon, woher die Tierhäute dafür kommen. Oft wird angeführt, dass es Leder gibt, solange Menschen Fleisch essen – in den meisten Fällen sind die Tierhäute ein Abfallprodukt der Fleischproduktion. Kritik daran lautet aber, dass das Geschäft mit den Tierhäuten die Lederproduktion profitabler macht, also ein zusätzlicher Anreiz zur Fleischproduktion ist. Und die Fleischproduktion hat für sich keine sehr gute Ökobilanz.

Pflanzliches Kunstleder braucht oft Zusätze

Du kannst natürlich auch auf eine Lederalternative setzen. Hier gibt es mittlerweile eine breite Auswahl an Materialien: Ananasleder oder Bananenleder etwa, die aus Blättern bzw. Stämmen gefertigt werden, die sonst bei der Ernte übrigbleiben. Auch Kork und Papierleder sind Alternativen. Textilexperte Kai Nebel verfolgt diese Entwicklungen seit längerem – und hält doch wenig davon.

„Das Problem bei diesen Naturprodukten ist, dass sie nicht sonderlich haltbar sind“, sagt Nebel. Dazu würden die meisten Materialien synthetische Bindemittel oder Kunststoffzusätze benötigen, um haltbar zu werden. Recycelbar seien sie dann nicht mehr. Manche Hersteller etwa von Korkprodukten oder Kaktusleder geben dagegen an, ohne Kunststoffzusätze auszukommen. Nebel findet die Entwicklung dieser Materialien gut, aber er hält es für problematisch, dass man sich etwa mit Schuhen aus Ananasleder ein gutes Gewissen kaufe. „Das Hauptproblem ist der Überkonsum“, sagt Nebel.

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Hoffnungsträger: Pilzleder

Alle Materialien haben also Vor- und Nachteile – wie soll man da eine Entscheidung treffen? „Die lange Nutzung ist der Schlüssel“, sagt Nebel. Braucht man trotzdem wieder mal eine Jacke oder einen Rucksack, solle man zuerst nach Gebrauchtem schauen – denn am nachhaltigsten ist immer das, was nicht mehr produziert werden muss. Wenn man doch was Neues kauft, bleibt nichts anderes übrig, als sich genau mit den Materialien auseinanderzusetzen. Bei Leder kann man auf Biolabels und pflanzliche Bearbeitung setzen. Bei pflanzlichen Leder-Alternativen kann man darauf achten, dass möglichst nur ein Material verwendet wird – entweder ausschließlich Kunststoffe oder Pflanzenleder oder Zusatzstoffe. Auch die Transportwege, also wo die Materialien herkommen, spielen eine Rolle.

Kai Nebel hat übrigens einen Hoffnungsträger unter den Lederalternativen: Pilz-Myzelien, also die fadenförmigen Zellen eines Pilzes, wie sie normalerweise unter der Erde wachsen. Damit sollen sich Stoffe fertigen lassen, die sich optisch und haptisch kaum von Leder unterscheiden. Selbst Luxushersteller wie Stella McCartney und Hermes setzen auf das Pilzleder – bald sollen erste Produkte damit auf den Markt kommen.