Das Carl-Schweizer-Museum in Murrhardt ist unter anderem für seine Sammlung ausgestopfter Tiere bekannt. Nachdem sich ein lebendes Reh dorthin verirrt hat, sieht sich der Museumsleiter zu Unrecht in der Kritik.
Kommt ein Reh ins Museum – was beginnt wie ein Witz, ist am Freitag tatsächlich passiert. Und zwar im Carl-Schweizer-Museum in Murrhardt, das unter anderem für seine große naturkundliche Sammlung bekannt ist. Diese umfasst etliche Tierarten, ein Querschnitt durch die heimische Fauna – in ausgestopfter Form. Der Museumsleiter Christian Schweizer ist schließlich ein in der Region bekannter Tierpräparator. Umso überraschender war es, dass sich Ende vergangener Woche ein quicklebendiges Rehkitz ins Museum verirrt hat. Es war kurz vor dem Beginn einer abendlichen Veranstaltung, als das Tier plötzlich durch die offene Eingangstür ins Museum lief. „Eine Besucherin fragte mich, ob es normal sei, dass ein lebendiges Reh hier ins Museum laufe. Ich dachte erst an einen Scherz“, erzählt Christian Schweizer.
Das Reh muss durch halb Murrhardt gerannt sein
Doch schließlich sahen er und die Besucher des Vortrags das Tier: Völlig verängstigt stand es inmitten der naturkundlichen Abteilung mit den präparierten Tieren. Schweizer vermutet, dass das Tier in Panik geraten war – vielleicht wegen eines Gewitters, eines Hundes oder aufgescheucht durch Wanderer. „Es muss vom Wald über den Friedhof bis ins Museum gelaufen sein. Auch im Stadtpark wurde es gesehen, dort ist es in den Feuersee gesprungen“, sagt Schweizer. Das Tier sei noch feucht gewesen, als er es „vorsichtig auf den Arm genommen“ habe.
Als von dieser Situation Bilder auf Facebook auftauchten, fragten einige Nutzer – manche im Scherz, andere wohl auch ernsthaft –, ob er das Tier denn in der Folge ausgestopft habe. Christian Schweizer versteht an diesem Punkt allerdings keinen Spaß: „Alle Tiere und Menschen, die lebendig ins Museum kommen, dürfen wieder lebendig heraus“, meint er. Er fühle sich in seiner Berufsehre angegriffen. „Wir Präparatoren töten keine Tiere, sondern präparieren diese als Dokument in Respekt vor der Artenvielfalt und dem Artenschutz. Das ist auch das Ziel unseres Museums – wer hier nur leise etwas anderes öffentlich postet, bekommt eine Anzeige wegen Rufschädigung“, schrieb Schweizer auf Facebook. Ein anderer Vorwurf in den sozialen Medien lautete, Schweizer habe das Tier zu grob angefasst und durch die Berührung riskiert, dass das Rehkitz von seiner Mutter verstoßen werde.
Einen Tag nach dem Vorfall ruft Peta an
Schweizer berichtet, er habe das Reh zunächst in einen Nebenraum gebracht, um es von den umstehenden Menschen wegzubringen. Dann sei es von der zuständigen Jagdpächterin Brigitte Kübler in eine Decke gewickelt, in Obhut genommen, versorgt und am späteren Abend wieder in die freie Wildbahn entlassen worden. „Es handelte sich ja schon um ein größeres Kitz, kein kleines Bambi, das man keinesfalls anfassen darf“, sagt Christian Schweizer. Tiere in diesem Alter hätten zwar noch Anschluss an die Mutter, könnten sich aber auch schon großteils selbst ernähren.
Einen Tag nach dem tierischen Besuch bekam er vorwurfsvolle Anrufe von Tierschützern, etwa von der Tierschutzorganisation Peta. „Ich habe denen gesagt, sie können gerne herkommen und sich alles ansehen“, sagt Schweizer. Sein Berufsethos sei ihm sehr wichtig, „und lebendige Tiere sind mir allemal lieber als tote“, sagt Schweizer. „Man fragt doch auch keinen Bestatter, ob er alle, die auf dem Friedhof liegen, selbst umgebracht hat.“ Von Anzeigen wegen Rufschädigung will er, Stand jetzt, aber absehen. Inzwischen, da die Administratoren der Facebook-Gruppe eingeschritten und entsprechende Kommentare gelöscht sind, sei für ihn die Sache erledigt.
Schweizer versichert übrigens auch, dass keines der in seinem Museum ausgestellten Tiere extra für die Präparation getötet wurde: „Meist sind es ‚Umweltopfer’ oder Abgänge aus zoologischen Gärten und Wildparks, die im Laufe von über hundert Jahren zusammengetragen wurden.“ Er habe großen Respekt vor der Natur, den Tieren und den Präparaten: „Das älteste ausgestopfte Tier hier im Museum ist 130 Jahre alt, es stammt noch von meinem Urgroßvater.“